OFF-KINO : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Der Schriftsteller Hanns Heinz Ewers gehörte zu jenen Literaten, die in den Anfangstagen des Kinos keine Scheu vor dem neuen Medium zeigten und dafür auch immer wieder „Fantasy“-artige Stoffe entwickelte. Ewers selbst hielt sich für einen Schriftsteller in der Tradition (und vom Format) eines Edgar Allan Poe, heute würde man ihn wohl eher als Trashautor verorten. Später wurde er dann auch noch ein Nazi, der für den Horst-Wessel-/„Hans Westmar“-Film verantwortlich zeichnete, aber das ist eine andere Geschichte. Ewers ist auch der Verfasser des Romans „Alraune“, einer fantastisch-erotischen Geschichte um ein künstlich erschaffenes Mädchen, das mit seiner Gefühlskälte alle Menschen um sie herum ins Verderben stürzt. „Alraune“ gehört zu den klassischen, seit 1918 immer wieder verfilmten Filmstoffen des deutschen Kinos: 1952 entstand unter der Regie von Arthur Maria Rabenalt eine neue Version mit Hildegard Knef und Erich von Stroheim, die sich vor allem durch die exzellente Fotografie des UFA-Veteranen Friedel Behn-Grund auszeichnet, welche die düster-romantische Grundstimmung des Werkes adäquat ins Bild setzt. (22. + 23. 1. Bundesplatz-Kino)
Weder Expressionismus noch Fantasy hatte Lupu Pick im Sinn, als er 1921 sein naturalistisch angelegtes Kammerspiel „Scherben“ drehte. Darin verkörpert Werner Krauss einen in Bürgerlichkeit erstarrten Bahnwärter, dessen Leben aus den Fugen gerät, als sich kurzfristig ein Inspektor in seinem Haus einquartiert und die – erwachsene – Tochter verführt. Schnell erweist sich die Bürgerlichkeit als Fassade, hinter der Wahn und Mord lauern. Brillant die Darstellung von Krauss, der mit Behäbigkeit und unbewegtem Gesicht die ereignislose Routine verkörpert, welche die Familie seit langem lähmt. (19. + 20. 1. Arsenal)
In der Retrospektive mit Filmen der französischen Schauspielerin Sandrine Bonnaire im Arsenal ist auch ihre Regiearbeit „Elle s’appelle Sabine“ (2007) zu sehen: eine Dokumentation über ihre autistische Schwester Sabine, die anhand von alten Familienfilmen und neuem Material eine erschreckende Entwicklung der jungen Frau belegt. Wirkt Sabine in den alten Amateuraufnahmen noch – halbwegs – selbstständig, kreativ und nicht unbedingt unglücklich, ist sie in den heutigen Bildern nur noch eine durch die jahrelange Gabe von Psychopharmaka unförmig gewordene und seltsam alterslose Frau, die unter Angstzuständen und Aggressionsschüben leidet. Bonnaire gelingt mit ihrem Film eine eindringliche Studie über die Hilflosigkeit im Umgang mit psychisch kranken Menschen – und auch die Unkenntnis, die letztlich dazu führt. (OmU, 23. 1. Arsenal)
Aktiv bis ins Alter? Die vier Protagonisten der Doku „Herbstgold“ von Jan Tenhaven nehmen das ernst. Allesamt sind sie weit über 80 – und immer noch Spitzensportler, die bei der Senioren-Leichtathletik-WM 2009 in Lahti antreten wollen. Die Emotionen des Wettkampfs bleiben dabei die gleichen wie bei jüngeren Kollegen: Aufregung, Angst vor dem Versagen, Enttäuschung beim Verlieren. (23./25. 1. Lichtblick) LARS PENNING