OFF-KINO : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Anders als seine Stummfilmkomikerkollegen Charlie Chaplin und Harold Lloyd war Buster Keaton in seinen Filmen nie auf einen ganz bestimmten Typ festgelegt. Entscheidend ist für Keatons Filmcharaktere vor allem, dass sie unabhängig von ihrer sozialen Stellung Defizite aufweisen: Selbst als Millionär ist Keaton anfangs immer der lebensuntüchtige Underdog und Verlierer, mit dem man sich sofort identifizieren kann. In „College“ (1927, Regie: James W. Horne) spielt der Komiker einen Musterschüler, der in seiner Abschlussrede als Klassenbester der Highschool Geist und Wissenschaft preist, während er den „Fluch des Sports“ beklagt und Disziplinen wie das Diskusspringen und den Speerlauf verteufelt. Wie nicht anders zu erwarten, macht er sich damit wenig beliebt. Um seiner geliebten Mary zu imponieren, versucht er sich auf dem College nun selbst am Sport – mit vorauszusehendem erbärmlichen Erfolg. Ein typisch traurig-lustiger Keaton-Gag ist sein Versuch eines Hürdenlaufs: Zunächst einmal reißt er alle Hürden bis auf eine, dann geht er hin und kippt die letzte schließlich auch noch um. Ebenfalls charakteristisch ist jedoch Keatons Fähigkeit, Missgeschicke blitzschnell wieder ins Positive zu wenden: Zwar geht ihm als Steuermann eines Ruderboots das Steuer kaputt, doch er verhilft seiner Mannschaft trotzdem zum Sieg, indem er sich das Steuer einfach an den Hintern bindet und selbigen ins Wasser hängt. Als am Ende allerdings der Schurke des Stücks die hübsche Mary einsperrt, wächst der Sportmuffel sowieso über sich hinaus und bewältigt alle zur Rettung der Freundin nötigen Disziplinen, einschließlich eines Stabhochsprungs durchs Fenster der oberen Etage, ohne weitere Probleme. In der Reihe „Ready, Steady, Go!“ im Zeughauskino, als Vorbereitung auf den Berlin-Marathon am 30. September.
Ein erfreuliches Comeback feierte in den letzten Jahren der Grandseigneur des Autorenfilms, Werner Herzog, der in seiner Mischung aus Egomanie, Abenteuerlust und ironischem Humor schon immer einer der interessantesten deutschen Regisseure war. Sein jüngstes Werk „The Wild Blue Yonder“ kommt demnächst in die Kinos, jetzt gibt es schon einmal eine kleine Retro seiner Werke im Babylon-Mitte. Dort tritt der Regisseur noch einmal vornehmlich in seiner Rolle als Klaus-Kinski-Bändiger an. Wie auch in „Aguirre, der Zorn Gottes“, in dem der genialische Mime als meuternder spanischer Eroberer anno 1561 in Peru das mythische Goldland El Dorado zu entdecken sucht, dabei provokativ alle Mächte – irdische wie göttliche – herausfordert und langsam in einen stillen Irrsinn abgleitet.
Ein Familiendrama beschreibt die als Koreanerin zweiter Generation in Japan geborene Regisseurin Yang Yong-hi in ihrer Doku „Dear Pyongyang“. Denn ihr ebenfalls in Japan lebender Vater ist nach wie vor vom stalinistischen Regime in Nordkorea angetan und hat seine Söhne allesamt in dieses Land der Verheißung geschickt, wo sie nun darben müssen. Klingt absurd, ist aber eher tragisch, denn der Vater kann bis heute nicht wirklich akzeptieren, dass seine Tochter eigene Wege geht. LARS PENNING
„College“, 21. 9., im Zeughauskino
„Aguirre, der Zorn Gottes“, 22./26. 9., im Babylon Mitte
„Dear Pyongyang“ (OmengU), 22. 9., im Arsenal