OFF-KINO : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Bereits in den ersten Sequenzen ihres Spielfilmdebüts „Mondscheinkinder“ (2006) findet Regisseurin Manuela Stacke zu einer bewundernswerten Ökonomie des filmischen Erzählens. In wenigen prägnanten Szenen umreißt sie die gesamte Lebenssituation ihrer Protagonisten: Die 12-jährige Lisa (Leonie Krahl) ist in der Schule zur Außenseiterin geworden, weil sie ständig auf ihren schwerkranken Bruder Paul (Lucas Calmus) aufpassen muss, der unter der sogenannten Mondscheinkrankheit leidet: Er darf nicht ans Tageslicht, sonst bekommt er Hautkrebs. Die alleinerziehende, berufstätige Mutter (Renate Krößner) verlässt sich ganz und gar auf Lisa, und der knapp 6-jährige Paul verhält sich ungnädig, uneinsichtig und diktatorisch: Er erwartet, dass sich in Lisas Leben alles um ihn dreht. Doch als Lisa sich verliebt, muss sie sowohl von Paul als auch von ihrer Mutter das eigene Leben einfordern, das sie bisher nicht hatte. Über weite Strecken trifft „Mondscheinkinder“ dabei genau den richtigen Ton: ein authentisch wirkendes – und von seinen jugendlichen Laiendarstellern souverän getragenes – Pubertätsdrama. (17.–23. 11., Bali)
Das gegenseitige Verständnis von Menschen mit gleichen Erfahrungshorizonten könne niemals ernsthaft durch unterschiedliche Nationalitäten getrübt werden, schrieb der große Regisseur Jean Renoir einmal sinngemäß. Daran muss man unwillkürlich beim Ansehen der Dokumentation „Aber das Leben geht weiter“ von Karin Kaper und Dirk Szuszies denken, die für ihre Geschichte einer deutsch-polnischen Versöhnung einen sehr persönlichen Ansatzpunkt gewählt haben: Karin Kapers Mutter Ilse und deren Schwester Herta lebten einst auf einem Bauernhof nahe Görlitz in Niederschlesien, von dem sie 1946 vertrieben wurden. Den Hof bewirtschaftet seitdem die polnische Bauerntochter Edwarda Zukowska, die ihrerseits von den Russen aus Ostpolen vertrieben worden war. Anlässlich eines Besuchs von Ilse und Herta bei Edwarda erzählen die Frauen ihre bewegten Lebensgeschichten. Der vergleichbare Lebenshintergrund erleichtert das Verständnis füreinander. (22.–23. 11., Urania)
Der mittlerweile fast 90-jährige (und immer noch aktive) Alain Resnais gehört zu den großen Protagonisten des europäischen Autorenkinos. Obwohl er seine Szenarios nie selbst schrieb, sind seine Filme sofort erkennbar. Genres vermischen sich, werden oft auch ironisch gebrochen, und sperren sich meist gegen das herkömmliche Erzählkino: Fantasien, Träume und Erinnerungen fließen auf verschiedenen Realitäts- und Zeitebenen ineinander. So auch in Resnais’ erstem Spielfilm „Hiroshima mon amour“ (1959): Eine in Hiroshima weilende Französin erinnert sich durch ihren japanischen Liebhaber an die Okkupationszeit in Frankreich und ihren ersten Geliebten, einen deutschen Soldaten. Eine entscheidende Rolle spielt die Montage: gleichartig gleitende Kamerafahrten durch die Straßen von Hiroshima und Nevers verdichten sich zu einer Einheit von Ort und Zeit. (22. 11., OmengU, Arsenal 2) LARS PENNING