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Archiv-Artikel

Normalzeit HELMUT HÖGE über die gefühlte UdSSR

Sweet Georgia on my mind

Zu Wladimir Kaminers „Russendisko“ gibt es inzwischen nicht nur jede Menge Plagiats-, sondern jetzt auch Me-Too-Veranstaltungen – wie z. B. die rollende „Russanova“-Discothek der Petersburger Soziologin Natalia Hantke. Die auch für die taz tätige Autorin schätzte bereits ihre ersten Texte gegenüber dem Lesebühnen-Gremium „Heim & Welt“ im Kaffee Burger so ein: „Ich schreibe wie Kaminer – nur eben aus weiblicher Sicht!“ Inzwischen hat sie an der FU ihr zweites Soziologiediplom abgelegt (das erste russische wurde hier nicht anerkannt). Ihr Thema war dann eine Studie über interkulturelle Verständigungsprobleme zwischen russischen und deutschen Mitarbeitern in gemeinsamen Forschungsprojekten. Dabei kam ihrer Arbeit zugute, dass sie selbst als Schreibkraft in einem solchen staatlichen Institut arbeitete – mit einem deutschen Chef vor der russischen Nase. Aber sie scheute auch nicht davor zurück, als dänische Journalistin beispielsweise Neonazis in einem Bowlingscenter am Rande des Oranienburger KZs zu interviewen.

Auf alle Fälle brachte ihr die Diplomarbeit sofort großes Lob und einen Lehrauftrag an der Uni ein. Ansonsten tingelt sie nun und erst recht weiter mit der „Russanova“-Disko und ihren Geschichten durch das Berliner Nachtleben. Im Tagesspiegel behauptete eine Partyjournalistin gerade, dass die wahre „Russendisko“ in Friedrichsfelde-Ost stattfinde – nämlich bei den Russlanddeutschen im „Kalinka“, wo es wirklich hart zur Sache gehe. Komisch, ich war schon öfter dort, habe aber nie was davon gemerkt. Ich halte die Reportage über diese wahre Russendisko deswegen für stark übertrieben. Aber es stimmt, in der echten sind oft viel mehr friedlich gestimmte Tänzer aus dem deutschen Außenministerium. Das hat jedoch auch sein Gutes: Wladimir bekam neulich sofort die neuesten Nachrichten aus Georgien geliefert: „Schewardnadse ist weg!“ Freute er sich: „Dann war meine Investition in die Zukunft doch richtig.“ Er hatte nämlich gerade der neuen georgischen Zeitung aus Berlin Iberia das Startkapital vorgeschossen. Die Iberia wird auf Georgisch von Nodar Dugladze und Lili di Puppo herausgegeben. Ihre Partner sind die von George Soros finanzierte georgische Zeitung 24 Saatin sowie der dazugehörige Fernsehsender „Rustavi 2“.

Nodar Dugladze (35) lebt seit acht Jahren in Berlin, er studierte in Tbilissi, Uzhgoro und Berlin – Germanistik, Altgriechisch und Internationale Beziehungen. Davor arbeitete er als Unteroffizier der Roten Armee bei einer Eisenbahndivision an der BAM, absolvierte ein Praktikum bei der Zeitung „Russkiy Berlin“ und war Mitarbeiter beim georgischen Außenministerium sowie Sicherheitsoffizier im georgischen Präsidialpalast.

Die in Luxemburg geborene Lili di Puppo (27) studierte in Strasbourg, Moskau und Berlin Politikwissenschaft sowie mehrere Sprachen, ihr derzeitiger Forschungsschwerpunkt ist die georgische Mafia, über die sie auch bereits – zusammen mit Nodar Dugladze – etwas veröffentlichte, davor organisierte sie Kulturfestivals in Frankreich und humanitäre Konvois nach Bosnien.

In der ersten Ausgabe ihrer gemeinsamen Zeitung Iberia wird es vornehmlich um die Wahlen in Georgien und um die Protestaktionen gegen Schewardnadse gehen, und u. a. wird der in Moskau lebende Publizist Melor Sturua eine regelmäßige Kolumne liefern. Die Redaktion kann man über iberiapress@hotmail.com kontaktieren. Die Auslieferung der ersten Nummer verzögert sich allerdings – aus aktuellem Anlass! Während die Russanova-Betreiberin Natalia Hantke angeblich zu Jahresbeginn ein Kulturmagazin in Karelien „sponsern“ will, wo derzeit jedoch eher wenig los ist: eine riskante Entscheidung?!