■ Normalzeit: Auftragsarbeiter und Zeitarbeitssklaven vs. Dauer-ABM
Die Misere begann bereits gleich nach der sogenannten Wende mit den ersten von der Treuhand angeordneten „Großflugtagen“. Jetzt endet die „verratene Revolution“ (so der „Lokale Ökonomie“-Trotzki Karl Birkhölzer) mit dem, was der sächsische Arbeitsamtspräsident (im Spiegel) einen „Sinkflug“ nennt. Dieser bezieht sich auf die nun ebenfalls abgewickelt werdenden ABM im Osten.
In Berlin gibt es als Ersatz dafür neuerdings einige vom SPD- Umweltsenator Peter Strieder vorgelegte „Leitlinien“ – zur Erhöhung der „Attraktivität des Standorts Berlin“ (u. a. wird in den Leitplanken die Modernisierung der letzten Holz-S-Bahnhöfe vorgeschlagen).
Um „Standort-Probleme“ ging es auch am Freitag den 13. – dem Tag der Verabschiedung des CDU-„Sparpakets“ – auf zwei Kreuzberger Veranstaltungen. In SO 36 auf der „Parade der Angeschissenen“: Direkt vor der „Zeitarbeits“-Firma Waldemarstraße 105 versammelten sich – von der KPD/RZ zusammengetrommelt – etwa 100 Demonstranten und 110 Polizisten.
Weil man nicht nur immer etwas fordern wollte, war das Ganze mit einer „Werbe- und Verkaufsveranstaltung“ verknüpft worden: Vom Lautsprecherwagen wurden einige Sklaven („Die sind noch effektiver als Zeitarbeiter“) versteigert, nachdem man zuvor zur „Attraktivitätssteigerung“ der „allzu schlampig“ angezogenen“ ABM-Arbeitslosen „Shoe-Polisher aus dem Hilton“ verschenkt hatte.
Den Gewerkschaften warf die „konsequente“ KPD/RZ vor, immer nur „halbherzige Aktionen“ durchzuführen und nur die „halbe Sklaverei“ zu wollen. Benzinsparend wurde dann das Partei-Mobil von 12 arbeitslosen Jugendlichen an Seilen durch die Oranienstraße gezogen: „Hopp, Hopp, Hopp – Einkommensstopp“, hieß dazu der modernisierte „Ho Ho Ho Tschi Minh“- Ruf. Transparente warben für ein positives „Ja zum Sparen“.
In SW 61, genauer gesagt: in der postprofan-ABM-modernisierten Heiligkreuzkirche an der Urbanstraße, ging es zur selben Zeit um eine „ABM-Leistungsschau“: Mit etwa 30 Ständen veranstalteten vornehmlich ABM- Regiekräfte einen „Tanz auf der Brücke“. Das Ganze war eine Art Geraderücken des Spiegel-Artikels „Der ABM-Wahnsinn“.
Die Geschäftsführerin des Narva-Sozialkombinats „Brücke“, Frau Ahl meinte zu mir: „Da hast du uns einen Bärendienst erwiesen – der Spiegel hat deinen taz-Artikel über uns ausführlich verwendet und einfach umgedreht!“ D. h. dann „selbständig“ geschlußfolgert: „Diese Form der aktiven Arbeitsmarktpolitik verschlingt gewaltige Summen“, sie schlägt keine „Brücke“ zum ersten Arbeitsmarkt, sondern zerschlägt diesen im Osten. Das wurde vom Spiegel-Plagiator sodann am Beispiel der Garten- und Landschaftsbau- branche durchgerechnet. Ein Diskussionsforum der „Leistungsschau“ beschäftigte sich deswegen explizit mit diesem Bereich, wozu man unter anderem den Unternehmer und Branchenverbandssprecher Ingolf Schmoll eingeladen hatte.
Wegen Auftragsmangel mußten die Gartenbaufirmen schon 500 Mitarbeiter entlassen, dafür übernahmen sie jetzt 1.000 ABM- Kräfte. Zugleich verweigern sie den in diesem Bereich tätigen Beschäftigungsgesellschaften aber die „Unbedenklichkeitserklärung“, wenn deren ABM-Kräfte mehr als nur „einfache“ (idiotische) Gartenbautätigkeiten ausführen. So richtig wurde dennoch die Frage des Arbeitsamts-direktors von IV und I nicht beantwortet: „Wo tritt ABM wirklich in Konkurrenz zum Gewerbe?“ Unklar blieb jedoch auch die Praktik des Kreuzberger Bezirksbürgermeisters, bestimmte Baumaßnahmen „ohne Ausschreibung“ einfach an ABM-Gesellschaften zu vergeben, wobei die Arbeitslosenversicherung etwas finanziert, was aus öffentlichen Kassen kommen müßte. Mir schien dies ein Alternativmodell zum Wilmersdorf-Dahlemer CDU-Baufilz zu sein. Dazu paßte auch die windelweiche Haltung, die „Lokale Staats-Ökonomie“-Kader zu dubiosen ABM-Praktiken – von FHTW-Präsident Knigge etwa – einnehmen.
Da gegenzusteuern versucht man in Köpenick z. B. mit dem Programm „Hilfe zur Arbeit“, bei dem die Sozialhilfe an die Arbeitgeber weitergegeben wird, wenn sie Arbeitslose einstellen, die nach ihren Wünschen zuvor qualifiziert werden. Hierbei wird der Filz zwar zur Hälfte wieder auf die Unternehmer zurückverlagert, die z. B. normal-willige Mitarbeiter entlassen – zugunsten lohnkostenbezuschußter Arbeitsunwilliger. Dafür wird dabei die zunehmende Einstellung von „Zeitarbeits“-Kräften ausgebremst – zugunsten von ABM- „Dauerarbeitsplätzen“. Fazit: Die Ökonomie ist das Leben selbst – und mindestens genauso verschlungen! Helmut Höge
wird fortgesetzt
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