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Archiv-Artikel

„Niederknien!“, krakeelt Stucki von hinten – die von Thurn und Taxis sind da Quer durch das Rindslokal

VON TIMO FELDHAUS

AUSGEHEN UND RUMSTEHEN

Er – Prinzessin Gloria deutet mit der Hand auf einen Angestellten des Szene-Restaurants Grill Royal – er solle sich doch neben den berühmten Journalisten Moritz von Uslar hocken und ihm das Mikrofon halten. Man höre ja so schlecht. „Niederknien!“, krakeelt der berühmte Reporter von Stuckrad-Barre von hinten. Der Diener, also der Kellner, kniet neben von Uslar. Gloria ist zufrieden, die Lesung zum gerade erschienenen „Tagebuch einer Prinzessin“, geschrieben von der 29-jährigen, streng katholischen Tochter Elisabeth von Thurn und Taxis, sie kann losgehen.

Von Uslar liest die Geschichte „Pizza-tastisch“, sie handelt von einem Besuch der Kunstmesse Frieze in London und der nachträglichen Party, die Elisabeth selbst ausrichtete. Natürlich waren „ALLE“ da. Natürlich versteht man nicht die Bohne, warum das jetzt eine Geschichte ist. Auf dem Cover der ausliegenden Textsammlung sitzt die wunderschöne Elisabeth und hält ein silbernes MacBook auf dem Arm wie einen Kuchen.

Ich muss ständig daran denken, dass meine Oma auch Elisabeth hieß, dann denke ich aber schnell wieder an die 500 Zimmer, denn so viele Räume hat das Schloss Emmeram in Regensburg, größer als der Buckinghampalast, wo Elisabeth mit ihren zwei Geschwistern aufgewachsen ist. Manchmal fuhren sie nach Neverland zu Michael. Der rote Roman stupst mich aus meinen Träumereien. „Du, noch ein Weinchen?“ Und ein Schnittchen mit Käse. Ja gerne.

Der rote Roman, die Stilfotografin und ich, wir haben Angst hier, unsere Armhärchen sind permanent elektrisch aufgeladen, denn die mulmig machende Macht zuckt so raumgreifend durch das Raucherzimmer. Immerhin sind nur 20 Gäste da, darunter die meisten vom Springer-Boulevard, immerhin handelt es sich bei den Thurn und Taxis um die größten privaten Großgrundbesitzer Deutschlands und die größten Waldbesitzer Europas – für sie ist das hier eine kleine Familienfeier. Während der Papst zum Gottesdienst ins Olympiastadion einfährt, tritt Prälat Imkamp ins Zimmer, unter einem der vielen Softpornobilder von David Hamilton im Raum begrüßt ihn überschwänglich Mutter von Thurn und Taxis. Es riecht nach Mentholzigaretten und sehr gutem Grillfleisch.

Draußen, mit Blick auf die Spree Prinzessinnengeplauder: „Isn’t it so like Sex and the City? Du bist Carrie, ich bin Samantha!“ Elisabeth findet das auch und erzählt über Momente der Connection im frommen Glauben.

Später gehen wir ins Soho House, wo die Underground-Künstlerin Britta Thie, die außerdem Model ist, die Party „Avant/Garde – boho in soho“ ausrichten durfte. Der Underground-Musiker Dan Bodan führt seinen berühmten Gang auf der Theke vor, während er poetische Wehmut mit einem Hauch gut gesleaztem Soul überzieht. Er trägt ein ganz kleines Zöpfchen, das hinten durch sein grünes Cappy durchguckt, ein rotes Sport-Blouson und natürlich die Nike Free Sneaker, die hier alle an den Füßen haben. Im opulenten Rote-Samtsessel-Kino werden fragile Trash-Filme der Expad-Kunst-Kids-Posse gezeigt, die sich normalerweise in der Enklave in Neukölln oder im Loch treffen.

Es ist ein Kulturaustauschprogramm zwischen Neukölln und Jet-Set, das Thie inszeniert, eine Win-Win-Situation. Im Kopf nehme ich das stark alkoholgetränkte und ausgeleierte Denkerlasso und werfe es in alle Richtungen aus, versuche einen Faden zu spinnen von Elisabeth von Thurn und Taxis und der aktuell sicher wichtigsten Sozialzusammenbauerin Berlins, Britta Thie, aber es gelingt mir einfach nicht. Beide sind gut aussehend, schwer fassbar und kunstbegeistert – aber ein Puzzleteil fehlt.

Jemand zieht mich wieder raus auf die Straße, zurück ins Grill, wo mittlerweile die Afterparty einer Galerie stattfindet. Das Raucherzimmer kennen wir ja nun schon gut. Nadim der Österreicher und der rote Roman führen dort einen russischen Volks- und Glückstanz in einer Art Polonaise vor, quer durch das Rindslokal. Als meine Hand die glänzende Vitrine mit dem kiloschweren argentinischen Rohfleisch streift, hat alles für einen Moment lang Sinn.