Nicht verpassen! : Der perfekte Platz
„FC Barcelona – Das Jahr der Entscheidung“, 22.10 Uhr, Arte
Schelten wir einen sehenswerten Film gleich vorweg: Er verspricht nämlich etwas Falsches. Er behauptet den „völlig neuen Führungsstil“ beim FC Barcelona zu zeigen, wie neue Chefs den Verein seit 2003 „völlig umgekrempelt“ hätten. Diesen Anspruch kann der Film, so schillernde Momente er hat, nur selten einlösen. Denn die Zuschauer sehen bei den vielen intimen Blicken hinter die Fußballfassaden vor allem eines: rührende Banalität. Das ist beim FC Barcelona mit dem größten Stadion in Europa offenbar genauso wie bei der SpVgg Oer-Erkenschwick.
Im Sommer 2003 war Barca am Tiefpunkt: Intrigen, Korruption, dreistellige Millionenschulden, seit Jahren kein Titel. Da gewann eine Gruppe von Dotcom-Millionären, die meisten um die 40, die Vorstandswahlen. Barca-Chef wurde der smarte Katalane Joan Laporta. Er versprach umfassende Transparenz und ließ die Kameras in seinen Alltag. So ist man bei Vorstandssitzungen dabei, wenn um Verträge gefeilscht, Bankofferten sondiert und Finanzpläne diskutiert werden. Sieht, wie die Macher über ihr Image reden („hochnäsig, eingebildet – und das auf sehr hohem Niveau“). Wie sie Michael Ballack kaufen wollen („Keine Ahnung, was der kostet“). Joan Laporta steht einmal des Nachts im Camp Nou und brüllt ins gespenstisch leere Stadion: „Es lebe Barca, es lebe Katalonien!“ Der Fußballführer wirkt dabei wie ein wahnsinniger Stehplatz-Fan. Wie tickt ein Fußballverein? Es ist ein Vabanque-Business mit vielen Unbekannten, weil ein falscher Pfostenschuss alle Träume platzen lassen kann. „Das Jahr der Entscheidung“ (die Saison 2003/04), und so der Film, begann für Barca desaströs und endete nach triumphalen 17 Siegen in Folge mit Rang 2. Das war zufällig die perfekte Dramaturgie und am Ende der beste aller Plätze: Denn er sparte alle Meisterschaftsprämien, sicherte die Champions League und ließ Steigerung zu. Und siehe: Diese Saison starb zwar Ehrenmitglied Johannes Paul II., aber der FC Barcelona wurde spektakulär Campeon. Und jedes Jahr, hätte schon Herberger sagen können, ist ein Jahr neuer Entscheidungen. B. Müllender