Neuneinhalb Wochen, Teil 5 : Politik, in Fett gebacken
Susanne Gieffers, taz-Redakteurin, arbeitet für neuneinhalb Wochen in Minneapolis, USA. An dieser Stelle berichtet sie regelmäßig über diese Stadt, in der, wenn man will, vieles an Bremen erinnert
Frittiertes Snickers am Stiel. Frittierte Hotdogs am Stiel. Frittierter Cheeseburger am Stiel. Frittierte Tomaten, mit Extramayo. Frittierte Spaghetti am Stiel. Kaffee, tiefgefroren, am Stiel. Frittierte Windbeutel am Stiel. Es ist köstlich! Und verdammt einen die nächsten Wochen zu Rohkost. Es ist State Fair, der Freimarkt von Minnesota, das Ereignis des Jahres. Die Menschen kommen von weit her, sie nehmen sich extra Urlaub. Hurrikan Katrina und die Folgen haben hier jeden erschreckt, aber den Spaß lässt man sich nicht verderben – zumal es sich fast an jeder Bude für einen guten Spendenzweck futtern lässt.
State Fair ist zudem die Leistungsschau des Bundesstaates. Da gibt es riesige Ställe voll mit kahl geschorenen Schafen, die in der feuchten Hitze zittern, mit Ziegen, Kühen, Pferden, den größten Tomaten und den größten Kürbissen. In der „Oink-Bude“ (die heißt echt so) liegt die größte Sau von Minnesota, ihre wehrlosen Ferkelchen werden von Teenagern im Sommerjob herumgereicht. Man knabbert am frittierten Alligator, schiebt den Nachwuchs nach vorne, damit der dem rosa Wunder in die noch trüben Äuglein blicken kann, und fühlt sich gut.
State Fair ist auch große Politik. Zwischen Maiskolben und Softeis haben die Republikaner ihren Stand aufgebaut, zwischen Popkorn und Pizza die Demokraten. Jeder, der in Minnesota politisch was werden will, lässt sich hier blicken, drängt der kauenden Menge wichtige Fragen auf und vor allem die Antworten dazu. Neulich war sogar der Gouverneur da und hat inmitten von Frittenduft und Hotdoggemümmel die Testergebnisse der hiesigen Schulen verkündet. Natürlich alles super. Man stelle sich vor: Henning Scherf verkündet im Hansezelt die jüngsten Pisaergebnisse. Das hätte doch was.