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Neues Projekt der taz-Leser:innen Coole Leser:innen lesen vor

Zu Beginn der Pandemie wollte ein taz-Leser seinem Vater vorgelesene taz-Texte per Messenger schicken. Inzwischen ist daraus ein Community-Projekt samt Podcast erwachsen.

Von ANNA BÖCKER und LALON SANDER

Anfang Juli 2020 argumentierte Na­ta­sha Kelly in der taz, dass die Entfernung des Wortes „Rasse“ aus dem Grundgesetz, so wie es die Grünen fordern, problematisch sein könnte. Der Text wurde in der gedruckten taz und online auf taz.de veröffentlicht. So weit, so alltäglich für die meisten Texte in der taz.

Im Fall von Natasha Kellys Beitrag stellte sich jedoch kurze Zeit nach der Veröffentlichung eine kleine Besonderheit ein: Wer online auf den Text klickte, entdeckte, dass das Stück nun auch zum Anhören bereit stand – dank taz-Leserin Elena. Elena ist Teil des Projekts „taz vorgelesen“.

Bei „taz vorgelesen“ lesen Le­se­r:in­nen Texte aus der taz vor und verschicken die Aufnahmen dann per Sprachnachricht. Mehrere Hundert Menschen können so im Messenger-Programm Telegram bereits hören, was in der taz geschrieben steht. Inzwischen teilen wir diese kleinen Lesungen auch als Bild zum Hören auf der Instagram-Seite der taz und erreichen dort fünfstellige Hörer:innenzahlen. Außerdem veröffentlichen wir die neuesten Lesungen im eigens für das Projekt geschaffenen Pod­cast „taz vorgelesen“. Doch wie wurde aus einem experimentellen Community-Projekt innerhalb weniger Monate ein richtiges Crowdstudio?

taz im Messenger-Dienst

Ende März, nicht einmal zwei Wochen nach Beginn der Corona­einschränkungen, erreichte uns die Nachricht eines Lesers: Im Altersheim seines Vaters gebe es eine drastische Besuchssperre. Dieser sei politisch und wissenschaftlich interessiert, lese aber kaum noch. Deshalb wolle der taz-Leser, sein Sohn, ihm gern Artikel vorlesen und per Sprachnachricht zuschicken. Ob in der taz Interesse bestünde?

Na klar – seit fast anderthalb Jahren entwickeln wir in der taz Messenger-Dienste als Verbreitungskanal für die Inhalte der taz. Mit dem Aufkommen der Fridays-for-Future-Proteste haben wir im Frühjahr 2019 ein Informationsangebot auf Whats­app gestartet, wo sich die jungen Klimaaktivist:innen vorwiegend organisieren.

Auf Telegram haben wir mehrere thematische Kanäle aufgebaut, in denen sich inzwischen mehrere Tausend Menschen über die Berichterstattung der taz zu Klimawandel, Überwachung oder Rechtsextremismus informieren konnten – und seit Kurzem auch entweder über alles zu Corona oder ohne Corona-Bezug.

Spannende Idee, aber nicht einfach

Und nun der Vorschlag eines Kanals zum Hören: vorgelesene Zeitungstexte? Audio-Inhalte auf Messenger? Ein Projekt, das komplett von der taz-Community gemacht würde? Die Idee klang spannend, aber nicht einfach – mit der Coronapandemie in vollem Gange wollten wir es aber versuchen.

Eine erste Umfrage war vielversprechend: Mehrere Dutzend Menschen hatten Interesse vorzulesen, mehrere Hundert hatte Interesse, sich die vorgelesenen Texte anzuhören. Und so startete bereits eine Woche später der taz-Audiokanal auf Telegram, mit einem von einer Computerstimme vorgelesenen Text als Beispiel.

Zur Vorbereitung hatten wir mit computergenerierten Vorlesestimmen gearbeitet – für den Fall, dass es an Vorleser:innen scheitern könnte. Doch das war nicht nötig.

Innovationen auch an anderen Stellen

Schon wenige Tage später hatten sich fast ein Dutzend Vor­le­se­r:in­nen gefunden, die täglich insgesamt eine knappe halbe Stunde vorlasen, mal mehr, mal weniger. Die Vor­le­se­r:in­nen wandeln sich beständig: Manche sind von Anfang an dabei, andere lesen ein paar Wochen vor und hören wieder auf, während neue Stimmen hinzukommen.

Das Projekt hat auch zu Innovationen an anderer Stelle geführt: Im Social-Media-Team werden die vorgelesenen Texte immer wieder als Bilder zum Hören, als sogenannte Audiogramme, aufbereitet. Mit dem taz-Podcast-Team entwickeln wir seit knapp zwei Monaten den „taz vorgelesen“-Podcast, in dem einzelne lange Texte ebenfalls publiziert werden.

Auch in der taz sind Kolleg*innen, deren Texte vorgelesen werden, erfreut. „Toll, dass es das jetzt gibt“, schreibt eine Kollegin. „Es ist fremd, den eigenen Text gelesen zu hören, manches ist anders betont, als man es selbst gesprochen hätte. Was aber keineswegs besser klingen würde.“

Ein Kollege schrieb, er könne ohne die ruhige Stimme eines Vorlesers nicht mehr einschlafen. Und eine andere war schon früh ein Fan vom Projekt: „Weil die taz die allercoolsten Leser*innen hat, haben diese Leser*innen jetzt angefangen, der Welt taz-Texte vorzulesen“, schwärmt sie. Und damit hat sie recht, finden wir.