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Archiv-Artikel

Nebensachen aus dem Kosovo von Erich Rathfelder Unkonventionelle Hilfe zum Nulltarif vom privaten Autoklub

Wer im Kosovo eine Panne hat, ist auf seine Mitmenschen angewiesen. Die packen meist mit an

Wenn in Deutschland nicht alles so funktioniert, wie es sein soll, dann werden die Leute sofort nervös und schimpfen über die Unzulänglichkeiten der Organisationen. Wenn bei einer Autopanne die Hilfe etwas auf sich warten lässt, dann bricht oftmals Wut aus.

Auf dem südlichen Balkan würden solche Leute schon froh sein, wenn „die Zivilisation“ in Gestalt der Automobilklubs langsam auch nach Süden vorstieße. An den Autobahnen in Slowenien und Kroatien gibt es Notrufsäulen, in Bosnien kann man inzwischen mit dem Handy die bosnische Version des ADAC – BIHAMK – erreichen, und man bekommt dann auch tatsächlich Kontakt.

Im Süden jedoch, in Südserbien, Montenegro und im Kosovo, sind diese Institutionen noch keineswegs überall funktionsfähig. Was macht man bei einer Panne? Auf dem Rückweg von Kosovo musste ich mit einem alten, mit zwei Gästen und Gepäck voll bepackten Auto bei glühender Hitze über den höchsten Pass der Region fahren, der auf über 1.600 Meter ansteigt. Es kam, wie es kommen musste: Das Kühlsystem kollabierte. Ausgerechnet im Niemandsland zwischen Kosovo und Montenegro. Was tun? Man stoppt andere Autos und ruft Bekannte an.

Die Autofahrer konnten in diesem Fall nicht helfen, außer etwas Wasser zu spendieren. Und was machte der Bekannte? Selbst auf dem Weg von Peja nach Prishtina kehrte er sofort um, mobilisierte Automechaniker, die mit ihm nach knapp einer Stunde den 20 Kilometer entfernten Pass erklommen. Oben angekommen, wurde der Schaden analysiert, das Auto nach unten gefahren und ein neuer Kühler nebst Ventilator organisiert und eingebaut. Die Rechnung? „Vergiss es, du bist eingeladen“, sagte der Bekannte.

Die Hilfsbereitschaft der Menschen ersetzt die formale Organisation. Kurz nach dem Einmarsch der Nato-Truppen im Winter 2000 versuchte ich bei minus 20 Grad von Skopje nach Prishtina zu fahren. Es war elf Uhr abends. Plötzlich platzte der Reifen des Geländewagens, keine Stadt weit und breit, keine der sonst zahlreichen Tankstellen in der Nähe und der Ersatzreifen selbst beschädigt. Es wäre eine unangenehme Nacht geworden. Doch schon nach wenigen Minuten näherten sich einige Männer aus den etwas entfernt stehenden Häusern. Sie besahen sich den Schaden, nahmen den Ersatzreifen mit, reparierten ihn in ihrer Garage, kamen wieder und wechselten den Reifen. Das angebotene Geld schlugen sie mit einer Handbewegung aus.

Es gibt viele Beispiele von Hilfsbereitschaft zu erzählen. Darüber, wie im Winter wegen einer Eisplatte stecken gebliebene Lastwagen in den Bergen Montenegros wieder auf den Weg gebracht wurden: Autofahrer rauten das Eis auf und streuten Sand, der von einiger Entfernung herangebracht werden musste. Manchmal frage ich mich, was passieren wird, wenn die Institutionen wirklich in diesen Bereichen tätig sein werden? Wird dann die spontane Hilfsbereitschaft abnehmen? Die Institutionalisierung ist eine zweischneidige Geschichte.