: Nachwuchs? –betr.: Streitgespräch: Galliges Flügelschlagen, taz-Hamburg vom 8.2.199
Rachel Jacobsohn spricht ein gravierendes Problem der Grünen an, wenn sie feststellt, daß neue und vor allem auch junge Parteimitglieder es bei den Grünen aufgrund der Seilschaften und Kungelrunden manchmal ziemlich schwer haben. Nur wer sich relativ schnell einem Flügel zuordnet und sich diesem anpaßt, hat eine gute Chance, akzeptiert zu werden und gehört zu werden. Wer dagegen seine eigene Meinung vertritt und dann dadurch mal bei dem einen Flügel und mal bei dem anderen Flügel aneckt, hat es sehr schwer. Viele, die schon lange bei den Grünen sind, erkennen nicht, daß viele Jugendliche keine Lust haben, in Schubladen zu denken und sich dadurch im eigenen Denken zu beschränken. (...) Sie wollen nicht verbohrt an einer Position festhalten, ohne sich auch nur einmal anderen Argumenten zu öffnen.
Eine Auseinandersetzung um die Sache und das Finden einer Lösung ist ihnen meist wichtiger als Flügelstreit nur zum Selbstzweck. Wenn die Grünen nicht riskieren wollen, daß ihnen zunehmend der Nachwuchs wegbröckelt, dann sollten sie daran arbeiten, eine neue Form der Diskussionskultur zu finden. Es muß darum gehen, die Energie in politische Projekte und Kampagnen zu stecken, anstatt sich in der Beschäftigung mit sich selbst aufzureiben (wozu das führen kann: siehe Hessen).
Diese Kritik müssen sich allerdings beide Flügel bei den Grünen zu Herzen nehmen. Hier ist Rachels Kritik leider etwas einseitig. Denn die Realos sind keinen Deut besser als die Fundis. Und wenn es eine Gegenkandidatin zu Kordula Leites geben sollte, dann wird diese sicherlich in einem Realo-Kungel-Kreis „ausgeguckt“. Beide Flügel sollten aufeinander zugehen und an einem Strang ziehen – im Sinne des gemeinsamen grünen Projektes (Ich hoffe, daß es das noch gibt!).
Marco Rieckmann Landesvorstandsmitglied der Grünen Jugend Niedersachsen
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