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Archiv-Artikel

Nach der Wahl wird neu gerechnet KOMMENTAR VON BETTINA GAUS

Wenn die Meinungsforscher Recht behalten und die Spitzenkandidaten der verschiedenen Parteien allesamt nicht lügen, dann kann es demnächst eigentlich keine Regierung in Deutschland geben. Weder Schwarz-Gelb noch Rot-Grün dürften eine eigenständige Mehrheit bekommen, und alle anderen möglichen Koalitionen sind von dem einen oder der anderen Beteiligten ausgeschlossen worden. Es wird aber eine Regierung geben. Also muss irgendjemand seinen Standpunkt ändern. Die Frage ist nur: wer?

Koalitionsaussagen sollen die Klarheit der eigenen Linie bekräftigen, eventuell Zweitstimmen für den kleineren Bündnispartner werben und den Wähler davon überzeugen, dass sein Votum in dem Lager landet, dem es zugedacht war. Leider nimmt Arithmetik keine Rücksicht auf politisches Kalkül – weshalb nach der Wahl anders gerechnet wird als vor der Wahl.

Was wollen Politiker und Parteien erreichen? Sie wollen die Macht erringen – oder zumindest einen Zipfel davon. Wenn Angela Merkel jetzt nicht Bundeskanzlerin wird, dann wird sie es nie. Die Konkurrenten schlafen nicht. Die Kandidatin mag noch so oft behaupten, dass sie für eine große Koalition nicht zur Verfügung steht: Auch sie wird wissen, dass eine solche Zweckehe für sie allemal besser ist als der Platzverweis auf die Oppositionsbank.

Die Frage ist nicht, ob sie will. Sondern ob er will. Gerhard Schröder wäre in diesem Fall nämlich weg vom Fenster. Hingegen kann er Kanzler bleiben, wenn es gelingt, ein Bündnis aus SPD, Grünen und FDP zu zimmern. Auch Joschka Fischer dürfte dann sein Amt behalten. Was für ein Pech für die beiden, dass der standhafte Guido Westerwelle derartigen Überlegungen im Wege steht. Für ihn kommt eine Ampelkoalition nämlich nicht in Frage. Das hat er gesagt. Was bei unklarem Wahlausgang bedeutet: Der FDP-Vorsitzende ist bereit, sich für Angela Merkel zu opfern.

Hat da jemand gelacht? Aber ja doch. Schallend. Als ob mit dem Hinweis auf Pflicht und Verantwortung nicht schon ganz andere Leute überraschende Bündnisse begründet hätten! Wem das Programm der FDP gefällt, sollte sie wählen. Alle taktischen Wähler kaufen die Katze im Sack.