NDR-Skandal geht weiter: Auch Agentin Auträge zugeschanzt
Die Vetternwirtschaft der Fernsehspielchefin Doris J. Heinze hält die ARD und die Produktionsbranche in Atem. Anscheinend hat sie nicht nur ihrem Mann, sondern auch ihrer Agentin Aufträge beschafft.
Der Vetternwirtschaftsskandal beim NDR zieht weiter Kreise. Wie die Süddeutsche Zeitung am Wochenende berichtete, hat NDR-Fernsehspiel-Chefin Doris J. Heinze nämlich nicht nur ihren Ehemann Claus Strobel, sondern auch ihre Agentin Inga Pudenz mit lukrativen Aufträgen versorgt.
Pudenz hat unter dem Namen Marie Funder Drehbücher für NDR-Produktionen verfasst, Strobel schrieb unter dem Pseudonym Niklas Becker. Aus der Feder der angeblichen Marie Funder stammt zum Beispiel das TV-Melodram "Die Freundin der Tochter", die Erstausstrahlung lief diesen Mai auf Arte.
Der NDR hatte bislang nur bestätigt, dass Heinzes Ehemann als "Niklas Becker" zwischen 2001 und 2009 fünf Drehbücher für den NDR unter Heinzes Verantwortung schrieb, von denen vier auch verfilmt wurden. Die langjährige Redakteurin war, wie in Teilen der Auflage bereits berichtet, am Donnerstag vom Dienst suspendiert worden.
Der NDR bereitet eine fristlose Kündigung vor, zu der noch der Personalrat gehört werden muss. Der Fall Pudenz wird derzeit noch geklärt, sagte NDR-Sprecher Martin Gartzke am Sonntag. Es seien "noch diverse Fragen offen", unter anderem, an wen das an die angebliche Drehbuchautorin Funder gezahlte Geld wirklich geflossen sei.
Beim Sender herrscht weiter Ratlosigkeit, warum die 60-jährige Heinze, die selbst Drehbücher schreibt und von Pudenz Agentur Scenario aus München vertreten wird, ihren Haussender hinterging. Nach NDR-Regularien hätte ihr Mann Claus Strobel ohne Weiteres Drehbücher für den NDR schreiben können, solange die Produktion nicht unter Heinzes Verantwortung fiel.
In der ARD regiert derweil abgeklärte Aufgeregtheit: "Sie war eine Leistungsträgerin und eine große Kreative, daher ist ihr Fall umso tragischer und eigentlich unverständlich", zitiert der Spiegel ARD-Programmdirektor Volker Herres, der selbst bis Oktober 2008 Programmdirektor beim NDR war.
Für ARD sieht Herres aber kaum Handlungsbedarf: "Im Lichte einer solchen Erfahrung wird man immer prüfen, ob wir uns gegen solche Betrügereien noch besser schützen können. Aber wenn einer arglistig täuscht, ist so etwas kaum zu verhindern", so Herres.
Die Drehbuchdeals wurden nach NDR-Darstellung immer ausschließlich über die beteiligten Produktionsfirmen abgewickelt. Nach bisherigen Erkenntnissen sei ein finanzieller Schaden für nicht realisierte Projekte oder Drehbuchüberarbeitungen auch nur dort entstanden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen