NATUR HEMMUNGSLOS : Blumenejakulat
Sommer, endlich! Tagsüber scheint die Sonne, abends kann man draußen sitzen und sogar mein BVG-verliebter Freund will nachts lieber mit dem Fahrrad nach Hause fahren. Fast wäre mir jeglicher Grund zum Jammern abhanden gekommen. Für uns Berliner bedeutet das den sicheren Absturz in die Sinnkrise, und ich bin auch noch Schriftstellerin!
Es ist, wie Robert Gernhardt in seinem Gedicht „Der Dichter“ dichtet: „Abends zählt er seine Leiden, tut sich an dem Vorrat weiden, wählt eins aus, bedichtet es, und das Dichten richtet es. Morgens aber fleht er wieder: Schicksalshammer, sause nieder! Denn ich wähn mich schon im Grabe, wenn ich nichts zu dichten habe.“
Zu meinem Glück lauert aber von jeher in allem Schönen das Gemeine, und gemein bedeutet hier: Natürliche. Denn nicht nur wir lassen bei dem Wetter jeden Anstand fahren und pullern in die Büsche. Auch die Natur zelebriert ihre Fortpflanzung. Und auch wenn ich die vögelnden Vögel in der Dachrinne noch ganz niedlich finde, bei der Totalbesamung, die die Pflanzenwelt gerade abzieht, hört der Spaß echt auf! Cumshots sind sowieso Geschmackssache, aber ich möchte nicht die ganze Zeit durch Blumenejakulat laufen! Und daran ist sie selber schuld, die Natur. Dieses hinterlistige Miststück hat es nämlich so eingerichtet, dass sie uns für unsere Entfremdung mit Allergien bestraft hat. Glasaugen wünscht man sich, die man rausnehmen und unter kaltes Wasser halten kann, dazu eine abnehmbare Nase wie Michael Jackson und eine herausnehmbare Mundhöhle, um sich an der Innenseite zu kratzen.
Jedes Niesen ist ein kleiner Orgasmus, hat mal jemand gesagt. Wenn das stimmt, dann ist das hier Vergewaltigung oder zumindest sexuelle Nötigung. Denn ich möchte mir immer noch selber aussuchen, mit wem oder was ich ins Bett gehe!
LEA STREISAND