NANA HECK ALLEINLAGE : Sieht gut aus, schmeckt nach nichts
In sämtlichen Eisdielen steht gerade der „Eisbecher mit frischen Erdbeeren“ ganz oben auf der Karte. Man könnte meinen, es sei schon Erdbeerzeit. Hallo?! Es ist gerade mal Ende April. Wir zumindest sind noch weit davon entfernt, die süßen Früchtchen ernten zu können. Wir, das ist ein Familienbetrieb in der Mecklenburger Pampa, ökologisch bewirtschaftet. Schafe, Schweine, Pferde, Hühner, Hunde, Katzen, Kaninchen. Kartoffeln, Feldgemüse, Erdbeeren. Vater, Mutter, Kinder. Alleinlage. Also die Idylle schlechthin, besonders jetzt. Alles sprießt, die Lämmer tollen auf der Weide, und unsere jüngste Tochter erntet fleißig den ersten Löwenzahn für ihre Kaninchenzucht. Die meisten Produkte verkaufen wir direkt ab Hof. Bis vor ein paar Jahren konnten die Leute bei uns im Frühsommer auch Erdbeeren selber pflücken. Das haben wir wieder abgeschafft, es hat sich für uns nicht gelohnt. Aber eine echte Überraschung hier im Osten waren die disziplinierten Selbstpflücker. Früher, auf unserem Betrieb in Bayern, hatten wir immer mächtig mit der Ignoranz der Kundschaft zu kämpfen – das Zuweisen einer Reihe war zwecklos, kaum jemand hielt sich daran. Es wurde quer durch die Reihen gelatscht, immer auf der Jagd nach der schönsten und größten Beere. In dieser Hinsicht ist das hier für uns der goldene Osten. Ordentlich wird Reihe um Reihe abgegrast und am Ende das Schild genau da reingesteckt, wo der Nächste anfangen kann, sein Erdbeerglück zu finden. Einmal in der Woche öffne ich den Hofladen. Ich führe alles, was meine Kunden wünschen; was ich nicht selbst produziere, bringt der dicke Laster vom Großhandel. Und was wollen die Biokonsumenten? Erdbeeren im April. Nach meinem letzten Verkaufstag waren zwei Schälchen übrig. Für den Schweineeimer zu schade, landeten die Hochglanzfrüchte auf dem Geburtstagskuchen des Göttergatten. Schön ausgesehen haben sie ja, nur geschmeckt leider nicht, eher wie der vierte Aggregatzustand von Wasser. Auch den Bauern hat’s nicht gefreut. Das ist das Dilemma: Gurken und Tomaten mitten im Winter, Erdbeeren im Frühling. Alles weit gereist, weder saisonal noch regional. Die Vorfreude auf die eigene Ernte wird zunichte gemacht, ganz zu schweigen vom ökologischen Wert der Waren. Beim Spagat zwischen dem Anspruch an die eigene Arbeit und die daraus hervorgehenden Produkte einerseits und der Gier der Kunden nach dem Besonderen andererseits drohen mir meine Bio-Prinzipien abhanden zu kommen. Zum Glück dauert es nicht mehr lange, dann kommt das volle Programm wieder direkt vom Acker auf den Tisch.
■ Die Autorin ist Biobäuerin in Mecklenburg Foto: privat