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Archiv-Artikel

NANA HECK ALLEINLAGE Flauschkarnickel müssen sterben

Der gebotene Respekt vor dem Weihnachtsbraten oder Warum es nicht ratsam ist, Caramellas Babys Namen zu geben

Das Jahr neigt sich langsam, aber sicher seinem Ende zu. Bevor für uns Landwirte die ruhigere Zeit beginnen kann, muss nicht nur der Acker abgeerntet sein, sondern auch so manchem Tierleben ein Ende gesetzt werden. Der Herbst ist eben nicht nur Ernte-, sondern auch Schlachtzeit.

Das Gemüse vom Feld zu holen ist die gesellschaftlich bei weitem anerkanntere Arbeit. Mir macht es auch mehr Spaß, einen Kohl zu köpfen als ein Huhn. Die alten Hühner kommen bei uns in den Suppentopf. Da sind sie wirklich gut aufgehoben, schmecken vorzüglich und helfen in dieser Darreichungsform bestimmt auch gegen Schweinegrippe.

Je größer und älter so ein Tier ist und je individueller es betreut wurde, umso schwieriger ist es auch, sich von ihm in dieser Art und Weise zu trennen und es dann noch aufzuessen. Auch unsere jüngste Tochter steht demnächst sehr konkret vor dieser Problematik. Im Frühling fing sie voll Enthusiasmus eine Kaninchenzucht an, wohlgemerkt mit dem erklärten Ziel, im Herbst die gemästeten Nachkommen von Kaninchenmutter Caramella geschlachtet als Braten zu verkaufen. Vorbestellungen wurden bereits vor der Geburt der Braten in spe angenommen. Natürlich bekamen all die süßen Karnickel auch Namen und führen nach wie vor ein Leben in Saus und Braus. Viel Platz zum Hoppeln, lecker Möhrchen, Gesellschaft gleichgeschlechtlicher Artgenossen und Streicheleinheiten der Züchterin fördern das Gedeihen der netten Tiere.

Irgendwann im Sommer wollte die Tochter dann umdisponieren. Aber abgemacht ist abgemacht. Gleichwohl werden ihre bereits angelesenen theoretischen Schlachtkenntnisse auch theoretischer Art bleiben. Die Praxis überlässt sie lieber mir.

Ein gutes, möglichst artgerechtes Leben gehabt zu haben ist für unsere Viecher jedenfalls Pflicht. Und da der Tod nun mal zum Leben gehört, ist es unser Ziel, dass auch der Tod ein guter ist. Lange Transporte zum Schlachthof versuchen wir zu vermeiden. Und so sterben die Hühner, Gänse, Kaninchen und so einige Lämmer einen stressfreien Tod durch meine Hand.

Der direkte Zusammenhang zwischen Tierhaltung und Fleischverzehr ist den meisten Menschen leider völlig abhanden gekommen. Oft würde das Motto „Nur der Tod kann dich retten“ am ehesten die Situation der zur Schlachtung bestimmten Tiere aus intensiver Fleischproduktion beschreiben. Kein schönes Leben, kein stressfreier Tod. Dafür dann ein anonymes Schnitzel oder Hähnchennugget mit sehr fragwürdigem Gesundheits- und Nährwert.

Natürlich kann nicht jeder wissen, wie das Stück Fleisch, das er gerade isst, zu Lebzeiten hieß oder welchen Charakter es hatte. Aber schaden würde es nicht, der Kreatur den Respekt entgegenzubringen, den sie verdient. Schließlich bestimmen wir Konsumenten, was angeboten wird. Mal sehen, wie sich die Kaninchenzuchtpläne entwickeln. Demnächst darf Caramella wieder einen Rammler besuchen, der nächste Wurf wird bestimmt genauso schön wie dieser.

■ Die Autorin ist Biobäuerin in Mecklenburg Foto: privat