NAHOST: SCHWEIGT BUSH, DROHT DER FRIEDENSPLAN SCHON ZU SCHEITERN : Der Präsident steckt in der Klemme
Der von US-Präsident Bush hoffnungsvoll verkündete neue Aufbruch zum Frieden in Nahost ist innerhalb einer Woche zerbombt worden. Bush, der sich nach dem Gipfeltreffen in Jordanien als Friedenspolitiker feiern lassen und danach auf innenpolitische Themen konzentrieren wollte, merkt nun, was es heißt, Nahostpolitiker zu sein. Einige Anzeichen deuten darauf hin, dass ihm die Sache momentan zu heiß wird. Vorsichtig ließ er erkennen, dass er seine Aufgabe nicht darin sieht, sich nun fortan täglich als Vermittler einzuschalten.
Noch nach dem Attentat auf Hamas-Chef Abdelasis Rantisi war die Reaktion des Weißen Hauses bemerkenswert: Bush zeigte deutlich seinen Unmut über die israelische Aktion. Doch die Kritik daran blieb nicht aus: Teile seiner treuen Wählerbasis, die parteiübergreifende Fraktion der Israelfreunde und die Hardliner im Kabinett drängen ihn zu einer unnachgiebigen Haltung gegenüber den Palästinensern.
Andererseits fordern ihn Diplomaten und Außenpolitik-Experten auf, sich stärker als bisher zu engagieren. Bei seinen europäischen und arabischen Verbündenten steht er im Wort. Stets hatte er argumentiert, mit dem Sturz des Diktators in Bagdad werde der Weg zum Frieden in Nahost geebnet. Und schließlich hat er sein persönliches Gewicht in die Waagschaale geworfen. Er kann sich nicht aus dem Friedensprozess verabschieden, ohne seine Glaubwürdigkeit zu verlieren.
Jetzt steckt Bush in der Klemme. Nach dem Anschlag auf den Bus griffen weder er noch irgendein anderes Regierungsmitglied zum Telefonhörer, um auf die Konfliktparteien einzuwirken. Die Ernennung von Außenminister Colin Powell und Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice zu neuen Nahost-Emmissären erweist sich als Shownummer; beide planen nicht, in die Krisenregion zu reisen. Bisher hat sich Bushs außenpolitisches Engagement – außer in Kriegsfragen – nicht durch große Zähigkeit ausgezeichnet. Hält er die israelische Seite nicht von einer weiteren militärischen Eskalation ab, liegt ein Scheitern in Nahost derzeit näher als ein Gelingen. MICHAEL STRECK