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Archiv-Artikel

NACH DEM STREIK IN BADEN-WÜRTTEMBERG IST VER.DI STÄRKER GEWORDEN Der Arbeitskampf lohnt sich wieder

Ein Erfolg? Der neue Tarifvertrag sieht eher wie ein verzweifelter Abwehrkampf aus. Statt 38,5 Stunden wöchentlich müssen die kommunalen Angestellten in Baden-Württemberg nun 39 arbeiten – die Kollegen in Hamburg und Niedersachsen sind mit 38,8 und 38,9 Stunden besser gestellt. Ausgerechnet im reichen Baden-Württemberg ist es nicht gelungen, die besten Konditionen durchzusetzen.

Zweites Problem: Werden bei den kommenden Tarifverhandlungen mit den Ländern mehr als 39 Stunden vereinbart, muss die Arbeitszeit auch in den Südwest-Kommunen entsprechend verlängert werden. Diese Meistbegünstigungsklausel haben die Kommunen schon in einem früherem Tarifvertrag durchgesetzt. Dies führt dazu, dass Ver.dis Kampf um die Arbeitszeit in den Ba-Wü-Gemeinden erst mit einem Abschluss mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vorbei ist.

Immerhin aber ist jetzt in Stuttgart eine lange Laufzeit vereinbart worden. In der nächsten Tarifrunde wird nur über Lohn geredet und nicht schon wieder über Arbeitszeit. Dies verhindert, dass die öffentlichen Arbeitgeber die Beschäftigten mit der Forderung konfrontieren können, dass es mehr Geld nur bei mehr Arbeit gibt.

Und der Streik war noch aus einem anderen Grund kein Flop. Ver.di hat gezeigt, dass man überhaupt noch streiken kann. In der Öffentlichkeit blieb dies manchmal unsichtbar, doch die Nutznießer wussten es zu schätzen. 25.000 Neuzugänge soll Ver.di dem Arbeitskampf zu verdanken haben. Der Weg raus aus den Flächentarifverträgen schien die Gewerkschaften nur zu schwächen, doch zugleich stärkt es sie auch. Es kommt wieder auf das einzelne Mitglied an, nicht mehr nur auf die Dienstleistung des Gewerkschaftsapparates.

Diese Erfahrung verbucht auch die IG Metall, die vor ihrem Streik steht. Viele Firmen haben auf betriebliche Sonderregelungen gesetzt, um die Gewerkschaften auszuschalten. Doch das Gegenteil trat ein: Die Arbeitnehmer treten wieder ein, um den Organisationsgrad und damit die Kampfkraft in ihren Betrieben zu erhöhen. Bei hoher Arbeitslosigkeit ist die Lobbymacht der Beschäftigen zwar nicht sehr ausgeprägt. Aber eine Lobby werden sie haben: die Gewerkschaften. ULRIKE HERRMANN