Mitbestimmung bei H & M: Doch Vertrauen in "lästige Übel"
H & M zieht den Antrag zurück, Betriebsräte einer Berliner Filiale per Gerichtsbeschluss ihres Amtes entheben zu lassen. Man habe es nicht so gemeint.
BERLIN taz | Alles wie gewohnt: Im Sekundentakt gehen bei H & M in der Berliner Friedrichstraße T-Shirts, Tops und Hosen über die Ladentheke. Doch hinter den Kulissen brodelt es.
Am Dienstag trafen sich Vertreter des schwedischen Textilunternehmens und des Betriebsrats der Filiale vor dem Arbeitsgericht Berlin. Die Geschäftsführung wollte das Gremium mit einem richterlichen Beschluss auflösen lassen. In der mündlichen Anhörung zog sie diesen Antrag jedoch zurück. Man habe erkannt, dass eine "vertrauensvolle Zusammenarbeit" möglich sei.
Hintergrund des Streits war die personelle Ausstattung der Filiale in Berlin-Mitte. Die Arbeitnehmervertreter sind der Ansicht, dass H & M mehr Mitarbeiter einstellen muss, um die anfallende Arbeit zu schaffen. Um der Forderung nach mehr Personal Nachdruck zu verleihen, hatten sie sich mehrfach geweigert, den wöchentlichen Dienstplänen zuzustimmen.
Dienstpläne unterliegen nach dem Betriebsverfassungsgesetz der Mitbestimmung. H & M war jedoch der Meinung, dass das fünfköpfige Gremium mit der Verweigerung seine Pflichten verletzt habe.
Nach dem Termin erklärte H & M, das Ziel sei eine juristische Klärung, nicht aber die Absetzung unliebsamer Betriebsräte gewesen. Über konkrete Veränderungen in der Filiale schwieg man sich allerdings aus. Weder ein Sprecher der Firma noch der Filiale wollte sich über die weitere Personalplanung äußern.
Tariftreue reicht nicht
Johann Rösch, Betreuungssekretär der Gewerkschaft Ver.di, sieht den Streit als vorläufigen Höhepunkt einer langen Auseinandersetzung zwischen Unternehmen und Mitarbeitervertretern: "Wenn man eine Amtsenthebung anstrebt, kann man danach nicht sagen, man wollte nur etwas juristisch klären", sagte er. H & M müsse endlich verstehen, dass die von den Mitarbeitern gewählten Betriebsratsmitglieder keine Feinde seien, sondern nur ihren gesetzlichen Auftrag wahrnähmen.
Rösch wirft dem Unternehmen vor, seine wirtschaftlichen Möglichkeiten nicht dazu zu nutzen, berechtigte Forderungen der Mitarbeiter zu erfüllen. So sei H & M zwar tariftreu, trotzdem stünden viele der Beschäftigten unter Druck, weil sie nur in Teilzeit arbeiten und die daraus resultierenden niedrigen Löhne nicht zum Leben reichten.
Das größte Problem sieht man bei Ver.di aber in der grundsätzlichen Haltung des H-&-M-Managements, Betriebsräte bestenfalls als lästiges Übel anzusehen. Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung veröffentlichte schon vor fünf Jahren eine Studie, nach der das schwedische Unternehmen die Mitbestimmung systematisch missachte und Betriebsräte behindere. Im vergangenen Jahr wurde ein internes Papier bekannt, in dem H & M Deutschland "Strategien im Umgang mit dem Betriebsrat" verbreitete - "für den internen Managementgebrauch".
Am Dienstag klang das ein bisschen anders. "Jeder Mitarbeiter hat das Recht, einen Betriebsrat zu gründen", hieß es bei H & M.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation