Mit der Axt über saftig grüne Wiesen und schneebedeckte Berggipfel hinaus

■ Goran Gajics ‘Musik-Dokumentarfilm‚ »Sieg unter der Sonne« in der Brotfabrik beantwortet auch nicht die Fragen um »Laibach«

Männer und Maschinen und Schweiß auf bloßem Rücken. Die Klänge brachial, Fanfarenstöße und Trommelwirbel. Die Haare anrasiert zu schnittigen Ecken und uniforme Hemden über schweren Stiefeln, Manifeste und Parolen, gern auch in Deutsch. Wo ein Wille ist, ist ein Weg, und hier herrrscht der Triumph des Willens. Mit diesen Gesten haben »Laibach« schnell den Status des einzig wirklich wichtigen musikalischen Exports aus Jugoslawien eingenommen. Nachdem sie sich vor elf Jahren gegründet hatten, wurden sie zunächst in den Independent- Läden des westlichen Europas gern als Pendant zu »Test Department« gehandelt. Doch Laibach hatten den britischen Industriemusikern zwei Dinge voraus. Laibach kamen aus einem sozialistischen Land. Aber ihnen Vertrauen zu schenken wie den sich so sympathisch auf die Seite der Working Class schlagenden Kollegen von der Insel, war unmöglich. Ob Laibach »gut« oder »böse«, links, aufrecht oder Faschisten waren, blieb als Frage über den Köpfen hängen, die sich in den kleinen Läden über die aufwendigen Cover beugten und die zwischen muskulösen Arbeitern und Sonnenrädern gedruckte Verneinung des persönlichen Glücks und Willens zu verstehen suchten. Laibach waren — trotz ihres vorübergehenden Verbots — »weder Dissidenten noch Mitläufer«. Sie ließen Machiavelli grüßen. Die Verwirrung brachte den Erfolg.

»Sieg unter der Sonne« wurde acht Jahre später gedreht, als Laibach längst die großen Konzertsäle auch in Westeuropa gefüllt und u.a. mit »Macbeth — Music for Life and Theatre« für das Hamburger Schauspielhaus bewiesen hatten, daß es ihnen mit der Kunst ernst ist. »Musik-Dokumentarfilm« nennt sich der 65minütige Streifen von Goran Gajic, der jedoch weder wie üblich über noch neben der Band gedreht wurde. Weder plaudern hier ein geschaßter Manager und eine spät zu Ehren gekommene Witwe Erinnerungen zu Protokoll, noch begleitet die Kamera das whiskeyschwere Leben von tourenden Musikern zwischen Bühne und Hoteleinsamkeit. »Sieg unter der Sonne« entwickelt vielmehr eine Ästhetik ganz im laibachschen Sinne und vermeidet konsequent eine Antwort auf eben die Frage, die den Erfolg bescherte.

»Pobeda Pod Suncem« (so der Originaltitel) beginnt mit Nüchternheit vortäuschenden Bildern im Wochenschau-Stil und endet nach langen Mühen in der Erlösung, im Licht, auf den Gipfeln schneebedeckter Berge. In jener Einführung macht Gajic die Zuschauer geschickt damit vertraut, worum es der Band geht. Scheinbar zum reinen Zwecke der Information wird das Städtchen Trabovije vorgestellt, in dem Laibach einst erstmals in Erscheinung traten, mit Einwohnerzahl und Wirtschaftsstruktur. Aber schon die Erwähnung der Geschichte des Ortes verweist auf das Selbstverständnis von Laibach: In Trabovije leisteten die Arbeiter entschiedenen Widerstand gegen die faschistischen Überfälle. In Trabovije bildeten sich Arbeitermusikvereine, und der Lärm der Maschinen zu der Einstellung mit dem Förderband ist nicht mehr zu unterscheiden von den Klängen Laibachs. Lublijana, so fährt der Film fort, hatte mehrfach einen Namenswechsel in seiner Geschichte zu verzeichnen, je nach Machthabern, zuletzt unter den nationalsozialistischen. Laibach entschieden sich für die deutsche Variante und provozierten mit ihr heftigen Widerspruch im Land, vor allem in der Generation der Väter.

Ausführlich gibt Gajic die Rezeption des Laibachschen Wesens in Jugoslawien wieder, zitiert Leserbriefe, sammelt Volkes Stimme und läßt Gelehrte und Bürgermeister zu Wort kommen. Die Aussagen stehen nebeneinander. Das Wort eines Philosophen, der die Band vor Faschismus-Vorwürfen in Schutz nimmt, zählt so viel oder so wenig wie die Zeilen eines empörten aufrechten Kommunisten, der die Gruppe verboten wissen will. Die Debatte führt sich selbst ad absurdum. Zur Katharsis gehören ebenso die unzähligen Stellungnahmen, die einzelne Mitglieder von Laibach hinter Mikrofonattrappen und in Uniform verlesen. Darin definieren sie den Faschismus als Produkt des Finanzkapitals und beschwören gleichzeitig die Auflösung des Indiviuduums in der Masse, wie sie schöner nicht in den sportlichen Spielen des Roms unter Mussolini erschienen ist. Die Aussagen werden varriiert, bis auch sie sich ihres Sinns entleert haben: »Laibach ist die Rückkehr der Aktion als Idee.« Keine Miene verziehen diese jungen Männer dabei, und auf die Fragen nach ihrem Alter und Privatleben ziehen sie es vor, zu schweigen.

Zur Katharsis reiht Gajic den Selbstmord des Bühnenideologen Thomaz Hostinik, den er von der Gruppe männlich schweigend am Grab ehren läßt. Zur Katharsis gehört auch die Mission von Laibach, die sie generalstabsähnlich über die Landkarte gebeugt planen: Die Route für die Konzertsäle wird wie ein Feldzug gedacht. An den Orten der Schlacht gilt es, schweißvolle Arbeit zu leisten, mit nacktem Oberkörper die Trommel zu schlagen. Lange bevor Techno die hypnotische Wirkung von Stroboskopen zur Perfektion brachte, kannten Laibach deren Wirkung auf die Massen schon. Gajic erwähnt die Bühnentechnik wie nebenbei. In einem scheinbar harmlosen Konzertmitschnitt getarnt zeigt sich die Perfidität der Lichtshow: Die ungewöhnlich weißgleißenden Scheinwerfer blenden punktförmig einen einzelnen, um ihn dann wieder in die Masse zurückfallen zu lassen.

In dieser Genrevielfalt, in die sich noch Videoeffekte mischen, spielt Gajic zudem mit den Symbolen und Zeichen, deren sich auch Laibach bedienen. Immer wieder taucht der Hirsch auf, Zeichen männlicher Potenz und wiederum als bloßes Geweih Zeichen auf den Konzertbühnen Laibachs. Frauen haben in dieser Welt nichts zu suchen. Das Kollektiv ist maskulin. So männlich, wie Gajic die vier Musiker, perfekt in Zitate der 30er/ 40er Jahre gekleidet, immer wieder durch das Bild laufen läßt, sei es durch den Startort Hitlers — durch München —, sei es über Flughäfen, über den Friedhof, sei es — in der Tradition von Heimatfilmen — wiesengrüne oder schneeweiße Berge hinauf. Gajic nimmt damit eine Ästhetik auf, wie sie auch in der Malerei im deutschen Faschismus zu finden ist. Der Mann erobert die Welt von links unten nach rechts oben, immer den Berg hinauf, nie herunter, geschlossen im Männerverband, selbst beim Trinken ernst, das Flugzeug unter den Wolken, der Hund vornan.

Schließlich löst Gajic Laibach von all diesen irdischen Dingen. Das Projekt Laibach habe, so Laibach, seine Funktion erst erfüllt, wenn die Arbeiter ihre Werkzeuge beiseite legten und mit der Band in ein freudigeres Morgen zögen. Gajic nimmt dieses Morgen vorweg und treibt die Ästhetisierung der Laibachschen Ideologie auf die Spitze. Die Musiker stehen auf dem Gipfel eines Berges, schlagen um des Schlagens willen eine Axt ins Holz, stoßen um des Stoßens willen Laute ins Horn vor dem Erhabenen schlechthin, vor einer Bergkulisse, wie sie Handel-Mazzetti (»Ruhmreiches Ende«, »Berglandschaft«) nicht anders hätte malen können. Hände und Blicke weisen aus dem Bild hinaus ins unbekannte Irgendwohin. Dann lösen sich die Gesichter, und Lächeln macht sich breit, wenn die jungen Männer entspannt im Gras eine Zigarette rauchen. So schön sind sie da anzuschauen: Niemals könnte sich eine Frau zu ihnen setzen.

65 Mintuen scheinen so länger als sie sind. Das Puzzlespiel, das Gajic betreibt, führt zunächst in die Irre, als ob hier tatsächlich der Faschismusvorwurf be- oder entkräftigt werden sollte, wie auch die strikte Kategorisierung der Filmabschnitte nach einzelnen Genres anstrengt und vom Eigentlichen ablenkt. Die »Ästhetisierung der Politik«, wie sie Laibach mit ihrer vermeintlichen Politisierung der Kunst erreichen, findet in »Sieg unter der Sonne« ihre überdeutliche Entsprechung und führt zunächst ins Nichts. Was dann allerdings kommt, kann auch der Film nicht vorführen. Das wird sich erst zeigen, wenn der letzte Arbeiter tatsächlich sein Werkzeug aus der Hand gelegt hat. Claudia Wahjudi

Bis zum 2.10. in der Brotfabrik, Prenzlauer Promenade 3.