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Archiv-Artikel

Missglückte Täuschung KOMMENTAR VON RALPH BOLLMANN

Jetzt ist den Berliner Koalitionspartnern tatsächlich gelungen, worauf ihre Bemühungen um das Gesundheitswesen seit Monaten hinausliefen: Sie haben es geschafft, aus der geplanten Reform die letzten wirksamen Bestandteile zu tilgen. Neue Ärztehonorare erst 2011, Wechsel in den privaten Basistarif nur für ein halbes Jahr und auch das erst 2009: Diese und viele andere Beschlüsse stellen nun endgültig sicher, dass die Reform schon am 1. April in Kraft treten kann – weil sie auf Jahre hinaus folgenlos bleibt.

Die Koalitionäre bauen also auf den Placeboeffekt. Nutzen soll die Verabschiedung der Reform einzig und allein dem Ansehen der Koalition, die sich mit der Ankündigung einer großen Gesundheitsreform schlichtweg verrannt hat. Minimieren wollen Union und SPD durch den Verzicht auf wirksame Arzneien die schädlichen Nebenwirkungen, die durch wirkliche Veränderungen nach links oder rechts – je nach politischer Perspektive – unweigerlich eintreten würden.

Dabei ist der Einsatz von Placebos für sich genommen nicht verwerflich. Bis zu zwei Drittel aller ärztlichen Heilerfolge beruhen nach großzügigen Schätzungen auf Placeboeffekten. In Politik und Wirtschaft ist es oft ähnlich, das zeigt die Debatte über die Ursachen des aktuellen Aufschwungs, die ebenfalls mehr in der Psychologie als in wissenschaftlich messbaren Zusammenhängen liegen. Und was das deutsche Gesundheitssystem betrifft, so ist es gewiss nicht das beste, aber wohl auch nicht das schlechteste auf der Welt. Unter bestimmten Umständen kann da der Status quo einer völlig verkorksten Reform durchaus vorzuziehen sein.

Das Problem ist nur: Wenn die Ärzte ständig darüber reden, dass die verabreichten Pillen keinerlei Wirkstoffe enthalten, dann wird der erhoffte Placeboeffekt auch nicht eintreten. Wenn die Regierung eine derart offenkundige Nichtreform im Februar durch Bundestag und Bundesrat peitscht, dann wird sie auf den erhofften Imagegewinn vergeblich warten. Stattdessen droht ein Noceboeffekt – zu Deutsch: „Ich werde schaden.“ Denn schlimmer als ein geglücktes Täuschungsmanöver ist für die politische Kultur nur eines: ein Manöver, bei dem die Täuschung allzu offensichtlich ist.