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Minister droht BeamtenStreik als Notwehrmaßnahme

Beim Lehrerstreik in Schleswig-Holstein droht der Minister den verbeamteten Lehrern mit Abzügen und Akteneinträgen. Die GEW nennt den Streik eine "Notwehrmaßnahme".

Am Rande einer Lehrerdemonstration in Kiel. Bild: dpa

KIEL taz | Rund 3.500 LehrerInnen in Schleswig-Holstein erhalten demnächst blaue Briefe: Die BeamtInnen, die in dieser Woche während der Unterrichtszeit gegen eine Schulgesetzreform im Land protestierten, müssen sich auf Ärger einstellen.

"Was wir vor dem Streik gesagt haben, gilt: Es war rechtswidrig und wird für die Beteiligten Konsequenzen haben", sagte Thomas Schunck, Sprecher des Kieler Bildungsministeriums, der taz. Der Streik, zu dem die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) aufgerufen hatte, war bundesweit der erste Beamten-Protest dieser Art.

Denkbare Sanktionen sind Gehaltsabzüge und ein Eintrag in die Personalakte. Angestellte Lehrkräfte, die anders als Beamte prinzipiell streiken dürfen, erhalten ebenfalls kein Gehalt für die ausgefallenen Stunden - ob die Friedenspflicht verletzt wurde und damit arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen, werde geprüft, so Schunck.

Der Landesvorsitzende der GEW, Matthias Heidn, zeigte sich "hocherfreut" über die große Beteiligung: "Das ist ein Misstrauensvotum erster Güte für Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und seinen Bildungsminister." Ekkehard Klug (FDP) hat ein Schulgesetz vorgelegt, das eine höhere Wochenarbeitszeit vorsieht - damit könnten mittelfristig Stellen eingespart werden. Außerdem soll sich die Struktur der Gemeinschafts- und Regionalschulen ändern. Der Weg zum Abitur - G8 oder G9 - ist unklar.

Die GEW nannte den Streik eine "Notwehrmaßnahme" und argumentiert mit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, der ein Streikverbot für eine Arbeitnehmergruppe als rechtswidrig einstufte: "Wir können die Frage, ob verbeamtete Lehrerinnen und Lehrer in Deutschland streiken dürfen, gerne in Straßburg klären lassen", so Heidn. Schunck kontert: Das EU-Urteil beziehe sich auf einen Einzelfall, der nicht übertragbar sei. Und: Beamte dürften selbstverständlich demonstrieren - nur eben nicht während der Arbeitszeit.

Ändern werde der Protest nichts, so der Sprecher: "Der Minister ist sich bewusst, was er den Lehrkräften zumutet, angesichts der Haushaltslage muss er es aber tun." Schleswig-Holstein, das gegen die Schuldenbremse im Grundgesetz klagt, hat eine eigene Schuldenbremse in die Landesverfassung aufgenommen. Um ab 2020 ausgeglichene Haushalte vorlegen zu können, hat die schwarz-gelbe Regierung ein Sparkonzept vorgelegt, das alle Ministerien zu Kürzungen verpflichtet.

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3 Kommentare

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  • U
    ulschmitz

    Huhu, Zalog, wann soll denn sonst gestreikt werden - in den ferien? und woher stammen diese ungeheuer fundierten ansichten zum leistungs-freizeitverhältnis? just heute kam eine interessante neue untersuchung zum verhältnis lehrerarbeitszeit : sonstige wirtschaft heraus. wenn es keine arbeitsplatzgarantie mehr geben sollte, wer, glauben Sie, Oh zalog, kommt dann noch, um sich mit ander leuts blagen die nerven zu ruinieren? Und was stellen Sie sich unter einem "lehramtsstudium" vor? schon mal den Numerus clausus angeguckt, z.B. Schleswig-Holstein - physik-mathe-referendariat? obwohl es schon eine reihe von gymnasien gibt, die z.b. physik gar nicht mehr unterrichten können, weil sie keine lehrkäfte mehr haben, soll der eingangs-nc immer noch bei 1,4 oder 1,6 liegen. Und was das leistungsprinzip angeht (übrigens, man schreibt "Widerstand", nicht "Wiederstand") - warum sind Sie dann nicht lehrerIn geworden, wenn das alles so lustig-locker-leicht ist? der GEW kann man, wie dem Philologenverband, vor allem eines vorwerfen: Dass die jetzt immer noch nicht in der lage sind, ihre hausideologien mal beiseite zu lassen und gegen die neuerlichen zumutungen der "kultusbehörden" mal ne flotte kampfgruppe zu bilden, z.b. mit dem gemeinsamen ziel: 20 schülerInnen pro lerngruppe, 20 unterrichtsstunden pro woche für ALLE lehrerInnen und 1 präsenz- und verwaltungstag (08:00 - 16:00 uhr)(einschl. fester schüler- und elternsprechzeiten) pro woche... - aber das wird wohl nix werden.

  • U
    ulschmitz

    das land s-h hat also das geld, um 3500 blaue briefe zu verschicken? das ist doch nun ein grund, solidarstreiks durchzuführen. lustig wird auch, wenn von den 3500 abgemahnten 3000 vor gericht ziehen. das wird dann für s-h ziemlich teuer.

    die faule ausrede des "einzelfalls" ist schon deftig: ein blick auf die einschlägigen seiten des international arbeitsamtes zeigt da ein ganz anderes bild. danach hat das BVerfG, wenn ich richtig lese, das GG-hochrangige Recht zu Koalition, Demonstration und Streik in einem Urteil UNTER die nachrangigen bestimmungen des deutschen beamtengesetzes gestellt. außerdem soll schon zu zeiten Kohls mindestens zwei Mal von brüssel aus angemahnt worden sein, den deutschen beamtInnen - wie den französischen, italienischen, spanischen beamtenInnen - ENDLICH das streikrecht einzuräumen. das streikrecht gehört mindestens zu den fundamentalen bürgerrechten. die umwandlung der beamtenverträge in angestelltenverträge ist ja bisher bundesweit flächendeckend nicht nur wegen der kosten (ALO, RV, KV) nicht durchgeführt worden, sondern vor allem, weil angestellte lehrer streiken dürfen - mit WONNE natürlich während des mündlichen abiturs und während der zeugniskonferenzwochen.

    das mit tariffragen verbundene streikrecht wird immer interessanter, je häufiger das nettoeinkommen weiter geschmälert wird - stichwort: "beihilfe-selbstbehalt". völlig seltsam wird es dann, wenn die lehrerInnen gezwungen werden, auf Klassen- und Studienreisen zu gehen, leider aber immer weniger geld zur verfügung steht, ihnen die allfälligen privaten zusatzkosten zu ersetzen.

    wenn sich nun "Kiel" nicht Klug verhält, kann das noch ganz schön heftig werden - z.b. am "tag der lehrerInnengesundheit" - das ist z.b. der 1. schultag eines schuljahres oder der tag der bundesjugendspiele oder der elternsprechtag...

  • Z
    zalog

    Die Argumentation der GEW passt zu diesem Haufen. Warum bitte muss während der Schulzeit gestreikt werden? Und dass die Lehrer ihren Wiederstand gegen Mehrarbeit darstellen ist frech. Keine andere Beschäftigungsgruppe im öffentlichen Dienst hat ein derartig gutes Leistungs - Freizeitverhältnis wie die Lehrer. Und wo gibt es sonst noch eine Arbeitsplatzgarantie? Jeder der sein Lehramtsstudium irgendwie rumbekommt wird danach früher oder später in das Beamtenverhälnis übernommen. Leistungsprinzip? Fehlanzeige!