Messe-Manager setzen auf Erlebnisstreben der Kunden

Die 81.Internationale Frankfurter Messe im Trend zum Luxuskonsum / Größere Stände sollen erheblich teurer werden / Zweiteilung der Frühjahrsmesse geplant  ■  Aus Frankfurt Heide Platen

Ein „nach allen Seiten offenes Geschenkpaket“ plakatiert bunt und abstrakt die 81.Internationale Frankfurter Messe. Die „größte Konsumgütermesse der Welt“, die morgen zu Ende geht, soll nach dem Willen der Veranstalter ein Barometer für Trends, eine „Informationsbörse“ werden. Dem ist aber nicht so, sagte Eike Markau, Geschäftsführer der Messe-GmbH, während einer Pressekonferenz zu Beginn der Messe. Das liege vor allem daran, daß alteingesessene Firmen mit ihrem traditionellen Angebot, die seit Jahrzehnten in den Hallen ausstellen, nicht bereit sind, Platz für neue, innovative Produkthersteller zu machen. Sie versperrten auch störrisch den Raum für mehr internationale Anbieter.

Markau legte sich schwer ins Zeug, um den JournalistInnen klar zu machen, daß der Zorn, der sich gerade in der letzten Zeit bei kleinen und mittleren Unternehmen gegen erhöhte Standgebühren und den protzig-postmodernen Messeausbau richtete, völlig verfehlt sei. Wenn „keiner weicht“, dann sei eben eine „realistische Präsentation des Marktes“ nicht mehr möglich, und das „auf der größten und besten Messe der Welt“. Auch der Krach mit dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der damit gedroht hatte, bei erhöhten Standgebühren mit der Buchmesse nach München zu ziehen, sei ein „Rauschen im Blätterwald“ gewesen: „Wir haben Internationalität, Ambiente, Tradition, eine zentrale Lage. Das hat seinen Preis, denn das ist Qualität.“ Der Plan, die Internationale Frankfurter Frühjahrsmesse demnächst in zwei kurz hintereinander liegende Veranstaltungen zu teilen, soll den Platzproblemen und den Finanzproblemen der Messe GmbH abhelfen. Der Frage, ob dann „zweimal Reibach gemacht“ werde, wich Markau geschickt aus. „Starke Unternehmen“ seien zukunftsorientiert und „rasch“ mit den Umbauplänen einverstanden gewesen, „die anderen retardieren“.

Er setzte für die Zukunft auf den „Erlebniswert“ der KonsumentInnen, dem auch auf den Messen Rechnung getragen werden müsse mit Sonderschauen und thematisch zusammenpassenden, aber breitgefächerten Ausstellungen und Fachmessen. Die Prognos AG aus Basel legte dazu eine Studie „Konsument und Handel im internationalen Vergleich“ vor. Danach sinkt das Bevölkerungswachstum, das der potentiellen Konsumenten also, in der Bundesrepublik bis zum Jahr 2000 um zwei Prozent. Dies sei aber, so Rudolf W.Boos für Prognos, nicht weiter bedrohlich, denn im restlichen Westeuropa steige sie. In vier Jahren biete die Europäische Gemeinschaft auch bundesdeutschen Herstellern weit bessere Bedingungen, ihre Produkte auch auf „regionalen Teilmärkten“ außerhalb Deutschlands herzustellen, in „Fachmessen nahe der Märkte“ auszustellen und zu vertreiben.

In Asien dagegen wachse zwar die Bevölkerung um rund 40 Prozent an, nicht aber das Wirtschaftswachstum, das bleibe gering: „Zunehmen wird die Gruppe der Wohlhabenden und der relativ Armen.“ Das Konsumverhalten sei dementsprechend, erläuterte Boos mit einer Zeichnung. Habe heute noch der Konsummarkt die ungefähre Form eines Lindenblattes mit einer sich nach oben verjügenden Spitze der Reichen und einer bauchigen Mittelschicht, sehe der Markt der Zukunft gravierend anders aus. Die Spitze gleicht nun einem rundlichen Minarett, das auf dem schmalen Hals des Mittelstandes ruht, der unten in einen breiten Topfkuchen der „relativ Armen“ mündet. Boos: „Die europäischen Märkte werden durch Stichworte wie Prestigekonsum, Qualität, Markenbewußtsein geprägt sein, während die ärmeren Länder Imitate, Massenware und Niedrigpreisprodukte“ verlangen. Die Graphik gelte aber auch für den Binnenmarkt.

In den Industrieländern jedenfalls steigen die Umsatzzahlen für Luxusprodukte in allen Bereichen. In der nachindustriellen Gesellschaft seien nicht mehr so sehr Eigentum und Besitz gefragt, als vielmehr Wissen, Theorie, Analyse, Dienstleistung, Erlebnisstreben, zählte Boos den von ihm prognostizierten Wertewandel auf.

Gelebt werde jetzt gerade in einer „Zeit des Übergangs vom Warenstreben zum Erlebnisstreben“. Stärkeres Gesundheitsbewußtsein, höheres Umweltbewußtsein, eine „langsam sich verbreitende Neudefinition der Arbeit“ und die „Zweiteilung der Bevölkerung“ erforderten andere Marktstrategien als bisher. Es gelte, sich durch Handelsketten, breitere Produktpaletten zum Beispiel „von Blumen bis zur Schokolade“, Multi-Sortimente, Franchisesysteme und Filialisierung darauf einzustellen.

Das „Homeshopping-System“ werde traditionellen Absatzkanälen bis zu 25% des Umsatzes wegnehmen. Der „große Verlierer“ sei das „produktbezogene Fachgeschäft mit schmalem, tiefem Sortiment“. Die Anzahl der Singlehaushalte steige vor allem in der Bundesrepublik, in Österreich, Belgien und der Schweiz, die Zahl der älteren Menschen nehme zu. Bei abnehmendem Großhandel werde es eine größere Konzentration der Herstellerfirmen geben.

Schwellenangst kenne der „neue Konsument“ nicht. Er kaufe je nach seiner Lebenssituation „einmal verschwenderisch und hemmungslos“, andererseits auch „selektiv und sparsam“: „Der Grundnutzen eines Produktes wird unbedeutend, was zählt, ist der Zusatznutzen eines Konsumartikels (z.B. Prestigewert einer Uhr)“.

Wenn sich die Menschen in der Bundesrepublik mit teurem Porzellan und Kristall (Wachstum neun Prozent), mit Schmuck behängt (Wachstum neun Prozent), zum Luxus-Essen niederlassen, tun sie das allerdings nicht sonderlich gut gesalbt und parfümiert. Der Umsatz der Drogerien stieg nur um zwei Prozent. Weltweit hinkt es unterdurchschnittlich nach, während die Ausgaben für Nahrungsmittel „überdurchschnittlich“ steigen.

Besonderer Fürsorge erfreuen sich bei der Messe GmbH die KunsthandwerkerInnen. Als Nichtindustrielle bekommen sie bevorzugt kleine, nicht so teure Stände angeboten. Sie sollen für Niveau sorgen. Größere Stände dagegen werden erheblich teurer, denn, so Geschäftführer Markau abschließend: „Die am meisten gefragte Ware ist am teuersten.“