Merkels schwarz-gelbes Chaos : KOMMENTAR VON RALPH BOLLMANN
Was waren das für Zeiten. Vor drei Monaten schreckte die Aussicht auf eine Unionsregierung kaum. Von Zeit zu Zeit gehört ein Regierungswechsel zur Demokratie. Die Regierung Schröder/Fischer hatte wirklich so manchen Fehler begangen, und, wer weiß – vielleicht würde es ja mit der Wirtschaft wirklich aufwärts gehen, wenn Angela Merkel Kanzlerin ist.
Vorbei. Die Union hat den miserabelsten Wahlkampf der bundesdeutschen Geschichte geführt, hat Debakel an Debakel gereiht. Zweifelhaft war schon im Juli die Idee, eine höhere Mehrwertsteuer zum alleinigen Wahlkampfschlager machen zu wollen. Einen Absturz produzierte im August der Bayer Edmund Stoiber mit seinen Attacken gegen frustrierte Ostdeutsche. Das Ende aller Illusionen brachte im September die Demontage des Kompetenz-Experten Paul Kirchhof.
Selbst die verfeindeten SPD-Größen Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine brachten es im Wahlkampf 1998 fertig, die Zähne zusammenzubeißen und nach außen den Frieden zu wahren. Die Krisen, die die Unionspolitiker gerne als „rot-grünes Chaos“ brandmarkten, begannen erst ein halbes Jahr später. Schwarz-Gelb schafft es nun, das Chaos bereits vor dem Wahltag zu produzieren – und damit auch beim Gutwilligsten die Hoffnung zu zerstören, ein Sieg dieser Formation würde irgendetwas besser machen.
Dabei noch von „Pannen“ zu sprechen, wäre eine ausgesprochene Verharmlosung. Nur wenige Tage vor der Wahl demontiert die Riege der Ministerpräsidenten die eigene Kanzlerkandidatin ganz absichtsvoll, indem sie Merkels Finanzexperten Kirchhof lustvoll attackiert und die Rückkehr von deren Intimfeind Friedrich Merz erzwingt. Bezeichnend war auch Stoibers Körpersprache in der montäglichen TV-Runde: Gequält verfolgte der CSU-Chef die Ausführungen der vermeintlichen Leichtmatrosin Merkel, während er in der Zwiesprache mit dem amtierenden Kanzler erkennbar aufblühte.
Dabei gibt der Zwist dieser Tage nur einen Vorgeschmack auf die innerparteiliche Demontage, die Merkel von Sonntagabend an bei einem schwachen Abschneiden erleben wird, selbst wenn sie die Wahl gewinnt. Die wahren Chaostage fangen dann erst an.