piwik no script img

Menschenrechtsexperte zur Polizeiausbildung"Es fehlt der Fokus auf Hass als Motiv"

Deutschen Polizisten fehlt häufig die Sensibilität für Straftaten, die aus Hass begangen wurden, sagt der Menschenrechtsexperte Williamson. Ihre Ausbildung müsse sich ändern.

Gewöhnliche Schlägerei – oder ist Hass im Spiel? Bild: atmoserv. / photocase.com
Timo Reuter
Interview von Timo Reuter

Herr Williamson, Human Rights Watch hat in einem am Freitag veröffentlichten Hintergrundpapier die Ausbildung der Polizei in Deutschland kritisiert. Um was genau geht es da?

Wir kritisieren die fehlende Ausbildung von Polizisten und Polizistinnen in Bezug auf Hasskriminalität. Dies wird von deutschen Behörden oft nicht hinreichend untersucht.

Was ist Hasskriminalität? Geht es dabei um Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund?

privat
Im Interview: Hugh Williamson

47, ist Abteilungsleiter für die Regionen Europa und Zentralasien bei Human Rights Watch. Seit August arbeitet er in der Berliner Außenstelle der Menschenrechtsorganisation. Zuvor war er bereits von 2001 bis 2008 als Korrespondent der Financial Times in der Bundeshauptstadt.

Auch. Politisch motivierte Kriminalität gegen Migranten oder ethnische Minderheiten sind ein wichtiges Beispiel dafür. Aber Hasskriminalität meint etwa auch Übergriffe gegen Lesben oder Schwule aus homophoben Motiven. Allgemein ist Diskriminierung die Motivation für so solche Straftaten.

Aber so etwas wird doch in schon Deutschland bestraft.

Ja, aber es fehlt der Fokus auf den Hass als Motivation von Straftaten. Hasskriminalität ist in Deutschland eine Unterkategorie von politisch motivierter Gewalt. Das bedeutet, dass die Polizei diese Taten oft als gewöhnliche Straftaten behandelt, wenn bei den vermeintlichen Tätern keine Verbindung zu rechtsextremen Kreisen und keine offensichtlichen ideologischen Motive nachgewiesen werden.

Was bedeutet das für die Opfer?

Das hat ganz persönliche Auswirkungen auf die Opfer. Sie fühlen sich dann oft nicht ernst genommen und sind nicht bereit, die Tat anzuzeigen, weil sie keine Aussicht auf eine richtige Aufklärung haben. Außerdem gibt es keine genügenden Statistiken zu diesem Problem, was bedeutet, dass keine adäquaten Strategien dagegen entwickelt werden können.

Muss sich also an der Gesetzeslage etwas ändern?

Unserer Meinung nach nicht. Es muss eine bessere polizeiliche Ausbildung geben, so dass in der Praxis der Fokus der Ermittler mehr auf der Motivation der Täter liegt. Außerdem kann Hass bereits jetzt schon als Motiv strafrechtlich relevant sein, die Gesetze müssen nur besser angewandt werden. Staatsanwälte und Richter berücksichtigen Hass allerdings nicht immer als Motivation bei der Strafbemessung von Fällen, in denen es um rassistische oder andere aus Hass begangene Gewalttaten geht, obwohl sie dazu befugt wären.

Wie genau würde eine bessere Ausbildung die Lage verbessern?

Wir fordern mehr Schulungen für Polizisten. Außerdem sollte es eine engere Kooperation zwischen Opferverbänden und der Polizei geben. Aber auch mit anderen Verbänden wie etwa denjenigen von Migranten oder Schülern sollte enger zusammengearbeitet werden. Wie empfehlen außerdem, dass auch in der Ausbildung die Kooperation mit Opferverbänden verstärkt wird, etwa indem diese die angehenden PolizistInnen unterrichten und ihnen Empfehlungen geben. Ein positives Beispiel ist da die Kooperation der Berliner Polizei mit Verbänden von Schwulen und Lesben.

Wie verhält sich die Polizei allgemein dazu? Gibt es eine Bereitschaft, etwas zu verändern?

Wir haben für unsere Studie Kontakt zu Behörden in sechs Bundesländern aufgenommen. In den ostdeutschen Ländern Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt gab es insgesamt eine größere Offenheit. Zum einen haben die Landeskriminalämter dort kleinere Schwierigkeiten im Umgang mit Hasskriminalität eingeräumt. Außerdem bestand auch eine gewisse Offenheit, die Dinge zu verbessern. Im Westen hingegen gibt es viel weniger Opferverbände als im Osten, was das reale Ausmaß der Problematik möglicherweise verschleiert.

Woran liegt das?

Genau haben wir das nicht untersucht. Aber möglicherweise ist die mediale Aufmerksamkeit für den Osten, was das Thema Gewalt angeht, einfach größer und dadurch entsteht dort ein größerer Druck.

Welche Verbesserung erhoffen Sie sich durch ihre Forderungen? Gibt es dann weniger Straftaten?

Hoffentlich. Wenn die Polizei solche Taten ernster nimmt, dann hat das auch ein Abschreckungspotential. Ich gebe da mal ein Beispiel: Als Mitarbeiter der amerikanischen Botschaft ein Hertha-Spiel besuchten, kam es im Anschluss zu Übergriffen gegen sie, und zwar weil sich auch ein Dunkelhäutiger unter ihnen befand. Die Polizei vertrieb die Angreifer, nahm aber den Fall nicht zu Protokoll.

Als der amerikanische Botschafter Anzeige erstatten wollte, stellte sich heraus, dass die Polizei diesen Fall nicht aktenkundig gemacht hatte, als ob es sich hierbei lediglich um eine Wirtshausrangelei gehandelt hätte. Nach unseren Untersuchungen ist das eine verbreitete Vorgehensweise der deutschen Sicherheitskräfte. Wenn die Täter gewusst hätten, dass die Polizei das ernster nimmt, dann hätten die das vielleicht nicht gemacht.

Ist die Situation in anderen europäischen Ländern besser?

Sie ist insofern besser, als dass dort Hasskriminalität als eigene Kategorie eines Straftatbestands besteht. In vielen Ländern der EU wird diese Kategorie ernster genommen. Da mögen historische Gründe eine Rolle spiele, aber wir haben das nicht genauer untersucht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • A
    Anton

    Seit ich die Mehrheit hasse, fahre ich eigentlich ganz gut! Minderheiten sind einfach zu stark organisiert und haben viel zu viele Fürsprecher. So bleibt mein Haß unverfänglich, denn ich möchte meine Ressentiments nicht aufgeben, ich habe sonst keine Gewißheiten mehr.

  • S
    Susanna

    @Stan

     

    Nicht die Kategorie Hate Crime splittet die Gesellschaft, sie dokumentiert nur, dass es Menschen gibt, die gerne die Gesellschaft spalten wollen. Die in menschenverachtenden Kategorien denken und andere Menschen hassen, ohne sie zu kennen.

     

    Da solche Denkweisen für uns alle gefährlich werden können, ist es gut, sie herauszufiltern und anders zu behandeln.

     

    Nicht die Opfer sind anders, sondern die Täter.

  • LW
    lars willen

    für das versagen eine terrorgruppe auch nur wahrzunehmen müssen die gefeuert werden,so wie es in der freien wirtschaft passieren würde wenn jemand so einen mist baut.

    die polizei ist nicht auf unserer seite und begeht selber straftaten aus hass-die sind nicht rechts blind-die sind rechts

  • N
    Nietzsche

    Zitat Stan Marsh

    "Gewaltverbrechen sind im Grunde immer Verbrechen aus Hass"

     

    So ein Unsinn! Es gibt zahlreiche Gründe für Gewaltverbrechen. Neben Hass gibt es da noch Raub, Sexualdelikte, psychische Störungen, Drogendelikte, politische Motivation und so weiter und so fort. Genau genommen können sogar Suizidversuche Gewaltverbrechen sein. Für viele Gründe von Gewaltverbrechen haben wir eigene Straftatbestände.

     

    Bestenfalls könnte man argumentieren, daß Hass sich in der Regel mit einem strafrechtlich relevanten Tatbestand überdeckt. Der Umkehrschluß ist jedoch keineswegs zwangsläufig gegeben.

  • R
    Rizo

    @ maoam:

     

    Naja, dass die Cops nach einem Nazi-Überfall in der rechten Ecke ermitteln sollen hatte ich ja in meinem Kommentar geschrieben (das meinte ich mit "Eingrenzung der Verdächtigen").

     

    Natürlich würden Polizisten mit brauner Einstellung solche Taten weniger intensiv verfolgen oder gar decken. Falls Polizisten so sehr mit Nazis sympathisieren, dann nutzt aber auch eine Schulung nichts, sondern eher eine Amtsenthebung. Allerdings glaube ich nicht unbedingt, dass das die Regel ist.

     

    Das Hauptproblem ist meines Erachtens ein ganz anderes - nämlich die Tatsache, dass in unserer Gesellschaft Gewaltverbrechen generell verharmlost, relativiert, entschuldigt und viel zu milde bestraft werden. Im Juni wurde z.B. in Hamburg ein Mann grundlos totgetreten, der Täter bekam eine Bewährungsstrafe. Da liegt der Hase im Pfeffer!

     

    "Wenn drei NEo-Nazis einen dunkelhäutigen Mitbürger zusammenschlagen, ihm zum Spaß das Handy abnehmen, dann wird das nicht selten als "normaler" Raubüberfall ("abrippen") weitergeleitet."

     

    Genau das! Der Punkt ist aber: Wenn ich mit drei Kumpels jemanden krankenhausreif schlage bekomme ich für die "aus dem Ruder gelaufene kleine Rauferei" von der Justiz nur einen Klaps auf´s Händchen (gilt nicht nur für Faschos, sondern ist ein generelles Phänomen). Wenn ich ihm dabei aber sein Handy abnehme, habe ich einen schweren Raub begangen und mir droht eine erhebliche Freiheitsstrafe!

     

    Meiner Meinung nach sollte gegenüber Gewalttätern - egal welcher Couleur - endlich mal Schluss sein mit der vielzitierten Kuscheljustiz. Das Problem liegt eher bei den zuständigen Richtern als bei der Polizei.

  • M
    mackinnon

    schöner verweis von stan marsh auf south park - kann mich dem nur anschließen.

     

    aus feministischer perspektive hat schon catharine mackinnon juristische konzepte die auf dem difference/sameness approach basieren angegriffen und diesen den dominance approach entegegen gesetzt, der diskriminierungen und übergriffe als elemente einer epistemologischen sozialstruktur aufdeckt und eben diese hierarchien angreift. der versuch mit antidiskriminierungs gesetzgebungen die nach dem difference/sameness approach vorgehen können diese problematik nicht beheben sondern allenfalls verschleiern oder in einer ontologischen sackgasse landen.

     

    der text "discourese on life and law" by catharine a. mackinnon sei dem autor wärmstens empfohlen.

  • S
    Shrike

    Das Bild bzw. seine Unterschrift sind wirklich geil.

     

    Wenn jemand ohne Hass aufs Maul kriegt, findet die taz das scheinbar weit weniger schlimm.

     

    Gemeint ist hier natürlich die Idee, "hate crimes" härter zu bestrafen.

     

    Ich lehne diesen Ansatz eher ab, denn obwohl die Motive einesr Gewalttat für ihre Bewertung eine gewisse Rolle spielen, sollte man in einem demokratischen Rechtsstaat vorsichtig an diese Sache herangehen.

     

    Angesichts der Meinungsfreiheit sollten in einer Demokratie zwar Motive ermittelt werden, um eine Tat etwa als Affekthandlung oder lange geplanten Angriff einzuordnen.

     

    Jedoch sollten in einer Demokratie meiner Meinung nach Ansichten -auch Hass auf bestimmte Menschen- an sich keine Straftat darstellen, dies widersprääche der geistigen Freiheit, die für eine freiheitliche Demokratie charakteristisch sein sollte.

     

    Bezeichnenderweise geht es bei der Hassdebatte in diesem Artikel um Hass gegen Gruppen bzw. Minderheiten, welche die politische Linke als besonders schutzbedürftig ansieht.

     

    Es geht also letztlich darum, politische Forderungen in der Justiz unterzubringen.

     

    Ich würde sagen, dass der Staat allgemein die Menschen in seinem Hoheitsgebiet möglichst vor Gewalt schützen sollte, dies schliesst Minderheiten selbstredend mit ein.

     

    Die Idee der "hate crimes" bedeutet jedoch in der Praxis, dass im Sinne der politischen Korrektheit der Tatbestand des Meinungsverbrechens installiert wird, was ich als undemokratisch ablehne.

     

    Es ist ja bereits interessant, dass es bei "hate crimes" eben um (bestimmte) Minderheiten geht, etwa Migranten oder Homosexuelle.

     

    Hass kann sich jedoch auch gegen Individuen richten, welche ja eigentlich für sich allein genommen immer die kleinste Minderheit sind.

     

    Wenn jemand an seiner Schule von allen verachtet wird, etwa weil man im Internet über ihn lästert und alle dabei mitmachen, und wenn er dann aus gegen ihn als Person gerichtetem Hass verprügelt wird, würde das dann als Hassverbrechen gelten ?

     

    Wo er doch keiner der Lieblingsminderheiten der Linken angehört sondern nur individuell gehasst wird ?

     

    Die Antwort interessiert mich schon.

     

    @maoam:

     

    Dass ein verprügelter Migrant sich in Deutschland nicht mehr so willkommen fühlt, sollte kein relevantes Argument sein.

     

    Falls er nicht verprügelt wird, jedoch eine Meinungsumfrage liest, laut der etwa viele Deutsche Sarrazin zumindest teilweise zustimmen, wird er sich vielleicht auch nicht mehr willkommen fühlen.

     

    Sollte man jetzt Sarraziin deshalb für seine Ansichten bestrafen ?

    Wohl kaum angesichts der Meinungsfreiheit.

     

    Es gibt ein Recht auf Unversehrtheit ohne Gewalt.

    Es gibt aber kein Recht darauf von allen gemocht oder akzeptiert zu werden.

     

    Das Konzept der "hate crimes" erscheint mir im Sinne der freiheitlichen Demokratie fragwürdig.

  • J
    Jason

    Wenn einer meiner Freunde als "Scheiss Nigger" betitelt wird, wird das eine andere Reaktion aus lösen wie wenn man ihn "Arschloch" nennt.

     

    Das kann man sich nicht einfach immer gefallen lassen, was man nicht versteht ist, dass das "weg Gehen" und es "ertragen" ein schweres Stück Arbeit ist und wer kann sich "immer" unter Kontrolle halten wenn es um so eine Emotionale Sache handelt. Da Steckt sehr viel in solchen Äußerung, die meist der "betitelte" anders Wahrnimmt wie ein außenstehender, weil Leute die anders sind haben es nicht leicht in unserer Gesellschaft.

     

    Wenn mein Freund dann ins Gefängnis kommt, weil er eine Vorstrafe hat als Beispiel und er einfach ins "Bild" passt und der andere nicht, dem Richter was vor lügt und um Gnade bittet, wird mein Freund ein gestörtes Verhältnis mit unserer Staatsgewalt haben und mit dem Staat in dem er wohnt.

    Dieses Deutschland habe ich allzu oft kennen gelernt.

     

    Wer ist jetzt schuld an dem ganzen, in meinen Augen sind das alles nur Denkfehler in den Köpfen der Leute. Das sind Tiefgründige Probleme bei denen man an höherer stelle anfangen muss erklären/um erziehen/Verständlich machen. (wenn das überhaupt funktioniert)

     

    Jetzt kommt die fragen wie sollte man "Hassverbrechen" bestrafen, weil eigentlich ist es ein Fehler in der Wahrnehmung der Leute, wenn wir uns anmaßen können die Wahrnehmung anderer Leute überhaupt zu beurteilen, weil wir dann auch über uns richten müssten in manchen fällen. Sollten Hass verbrechen weniger bestraft werden oder Härter weil diese Leute meinen doch richtig zu handeln, nach Ihrem glauben.

     

    Ich finde es sollte dem Verbrechen nach bestraft werden, aber man muss im Vorfeld die Anzeichen erkennen das es sich um ein Verbrechen wegen einem Unterschied handelt und die Zeit während der Strafe nützen um auf den Beschuldigten einzugehen, wie Gespräche, Gruppen etc. weil wenn der "Hassverbrecher" erkennt was er falsch gemacht hat ist die Wahrscheinlichkeit höher als wenn man es ihm nur sagt und weg sperrt wenn es überhaupt raus kommt, das er solche Tat nicht nochmal begeht.

     

    Das Thema ist ziemlich schwierig obwohl es doch einfach ist … dahinter steckt meist verwurzelte Ängste und Ängste ist doch was vielen überhaupt den Antieb geben bzw. ein verwurzeltes Mittel in Politik und Religion, wir wurden mit Ängste erzogen. Also vielleicht ist ein Grundsätzliches um denken angebracht.

     

    Vor was haben wir angst und womit verbinden wir sie und wie können wir sie beseitigen?

     

    Danke für Ihre Zeit

  • SW
    S. Weinert

    Problematisch empfinde ich die Aussage "(...) wenn bei den vermeintlichen Tätern keine Verbindung zu rechtsextremen Kreisen und keine offensichtlichen ideologischen Motive nachgewiesen werden." Wer möchte in einem Staat leben, in dem Polizei, Staatsanwaltschaft und womöglich Gerichte ihre Urteile bzw. Entscheidungen nicht mehr mit Beweisen untermauern müssen? Ich hoffe, dass es sich hier um einen Versprecher handelt und nicht um eine vollständige Abkehr von rechtsstaatlichen Grundsätzen - selbst wenn die Motive ehrenhaft wären.

     

    Allgemein bleibt bleibt festzuhalten, dass sowohl Presseorgane als auch NGO's (soweit sie sich als Interessenvertretung verstehen) bei ihrer Kritik leider zu selten die harten Fesseln berücksichtigen, die den Ermittlungsbehörden und Gerichten im Verfahren vom Gesetzgeber auferlegt wurden. Gerade aus der Erfahrung der allmächtigen Staatspolizei im "Dritten Reich" heraus wurde der Polizeiapparat und Staatsanwaltschaft als klassischer Leviathan erachtet, dem mit grundrechtlichen Mitteln Einhalt geboten werden sollte und musste. Beweiserhebungsverbote, Zweifelsgrundsatz (in dubio pro reo), Verbot von geheimdienstlichen Mitteln (Vorratsdatenspeicherung, Telefonüberwachung etc.) machen es nicht leicht, subjektive Tatumstände beweissicher zu ermitteln. Es ist leider nicht so, dass die Rechtsradikalen es den Ermittlern leicht machen würden: Sie sind durchaus im Umgang mit Polizei und Staatsanwalt geübt und wissen, wie man rechtliche Zweifen sät, die es den Gerichten oft (aus rein prozessualen Gründen)unmöglich machen, eine entsprechende Verurteilung zu erlangen.

     

    @maoam (am Rande)

     

    "eine Vergewaltigung, z.B., ist kein Verbrechen aus Hass" - hier widerspreche ich entschieden! Abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen ist Hass hier regelmäßig das leitende Motiv. Ansonsten stimme ich ihren Ausführungen weitgehend zu, wenngleich ich persönlich die Erfahrung gemacht habe, dass es (bei eindeutiger Beweislage) sehr wohl zu Strafverschärfung kommt, wenn niedere Beweggründe festgestellt werden. Wenn auch die Haftsstrafen zunächst in ihrer Höhe "normalen" Delikten ähneln mögen, so wird hier doch weit häufiger eine Strafaussetzung zur Bewährung verweigert.

  • T
    Tom

    Problem ist eher, dass vielen Polizisten scheißegal ist, ob ein Gewaltverbrechen einen rechtsextremen Hintergrund hat oder nicht.

  • M
    maoam

    @blah,

     

    "dem Opfer wird es letztlich egal sein, ob es "aus Hass" schwerstverletzt wird oder aus vermeintlich zufällig Motiven"

     

    Nein, das ist nicht so. Jemand, der wegen seiner Herkunft oder Hautfarbe von besoffenen stolzen Deutschen zusammengeschlagen wird, der wird sich in Zukunft in Deutschland nicht mehr so "willkommen" fühlen. Würde die selbe Person Opfer eines unpolitischen Überfalls, würde das nicht auf die Gesellschaft projeziert werden können.

    Sollte eigentlich klar sein.

     

    @Stan,

     

    eine Vergewaltigung, z.B., ist kein Verbrechen aus Hass. Auch wenn in einigen Fällen ein Hass gegen Frauen mitschwingt

    Oder ein eskalierender Raubüberfall....Hass? Eher nicht.

     

     

    @Rizo,

     

    "Jemand wird geschlagen - Polizei sucht den Täter - nimmt ihn ggf. fest - leitet den Fall an die Staatsanwaltschaft weiter."

     

    - Genau darum geht es ja! Und zwar WIE (!) die Straftat an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet wird.

     

    Wenn drei NEo-Nazis einen dunkelhäutigen Mitbürger zusammenschlagen, ihm zum Spaß das Handy abnehmen, dann wird das nicht selten als "normaler" Raubüberfall ("abrippen") weitergeleitet.

     

     

    "Der Grund für die Tat ist für sie (außer bei der Eingrenzung der Verdächtigen) unerheblich, ob politische Motivation oder Beziehungstat."

     

     

    - Nein ist er nicht! Das sollte klar sein. Warum?

    Weil die Staatsanwaltschaft ERMITTELT und dazu Polizisten einsetzt. Und da es zur Aufklärung einer Straftat nunmal wichtig ist, im richtigen "Milieu" zu ermitteln, sollte auch klar sein, oder?!?

    Sollten die guten Beamten bei einem Nazi-Überfall etwa ALLE Menschen in der Gegend überprüfen, oder eher mal in der rechten Szene nachschauen?!?!?

     

    "Zweitens....."

     

    wie schon darauf hingewiesen: Die rassistische/nazistische Motivation, muss halt auch nachgewisen werden, um "härter" bestraft werden zu können. Wobei das "härter bestrafen" eigentlich gegen rassistische Überzeugungstäter nicht stattfindet.

     

    Zu "Drittens" stimme ich teilweise zu.

     

     

    In ländlicheren Gegenden haben die Rechten (Neo-Nazis) öfters einen guten Draht zu den Cops als "andere" Jugendliche. Durch ihr oberflächliches Geschleime, dass sie sich etwa für die Sicherheit, im Dorf, verantwortlich fühlen, und "Fremde" genauer beobachten. Oder, dass sie oftmals in Feuerwehren und Sicherheitsdiensten eingespannt sind, verschafft den Nazis ein gutes Image.

     

    Wenn dann bei der nächsten normalen Schlägerei im Ort, die Beamten einrücken, und sich vom "Uwe" dann erklären lassen, dass der "besoffene Kanacke den Stress angefangen habe", wird nirgends etwas von rassistischer Motivation auftauchen.

     

    So läufts tagtäglich ab, in Deutschland.

  • A
    Atan

    Guter Artikel, aber am Anfang muss eben die strafrechtliche Kategorie des "hate crime" stehen, bevor man die Ausbildung der Polizisten verbessern kann.

    Die Kategorie schärft den Blick für die Motivlage und Wiederholungsgefahr, zudem stärkt sie den Gleichheitsanspruch der Opfer vor dem Gesetz, weil man nämlich nicht mehr unterschiedliche Gruppen aus Schwulen, "Zigeunern", Schwarzen, Weissen, Linken und Rechten hat mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Sympathien und Lobbyvertretungen hat. Stattdessen spart man sich diese unsinnige Differenzierung, sondern bekämpft den unzulässigen Hass, der sich in Gewalt auslebt. Gleichzeitig "entpolitisiert" man die meiste Kriminalität, in dem nicht "Gedanken" bekämpft wird, sondern tatsächlich auf die vorurteilsgetriebene Gewalt fokussiert.

  • R
    Rizo

    Die Forderung ist in vielerlei Hinsicht völliger Schwachsinn.

    Erstens ist es lediglich die Aufgabe der Polizei, bei einer Straftat den Täter zu ermitteln - sprich:

    Jemand wird geschlagen - Polizei sucht den Täter - nimmt ihn ggf. fest - leitet den Fall an die Staatsanwaltschaft weiter.

    Der Grund für die Tat ist für sie (außer bei der Eingrenzung der Verdächtigen) unerheblich, ob politische Motivation oder Beziehungstat. Sowas ist vor Gericht entscheidend, nicht bei den Cops.

     

    Zweitens macht es doch schon sowieso einen erheblichen juristischen Unterschied, aus welchen Grund eine Tat begangen wird! Wenn ich jemanden zusammenschlage, weil er mich zuvor übelst beleidigt oder provoziert hat, ist das eher strafmildernd. Wenn ich aus niederen Beweggründen gehandelt habe (z.B. Rassismus), ist das strafverschärfend.

     

    Drittens halte ich überhaupt nichts von einer (hier scheinbar geforderten) Einführung des Straftatbestandes der "Hate crime" nach amerikanischem Vorbild. Derlei (ohnehin sehr fragwürdige) Jurisdiktion grenzt nur aus, da sie letztlich zementiert, dass Schwule, Ausländer, Juden, Schwarze etc. "was anderes" sind als "normale Leute".

  • SM
    Stan Marsh

    Hate Crime Laws - A Savage Hypocracy

     

    Gewaltverbrechen sind im Grunde immer Verbrechen aus Hass und gehören bestraft.

    Nur weil es gegen eine bestimmte Gruppe geht, muss man nicht das Wort "Hass" davor setzen. Außerdem erscheint mir das Konzept schon rassistisch. Sagt ein "Hassverbrechen" nicht aus, dass zb. Homosexuelle anders sind?

     

    stop splitting people into groups, we should all be treated the same, same punishment for the same crime!

  • B
    blah

    wieso sollte das denn überhaupt eine eigene Kategorie sein? dem Opfer wird es letztlich egal sein, ob es "aus Hass" schwerstverletzt wird oder aus vermeintlich zufällig Motiven.