: Mehrere hundert Tote bei Grubenunglück befürchtet
■ Nach Gasexplosion 400 Bergmänner in türkischer Kohlengrube verschüttet/ Schon vor zwei Jahren für Modernisierung der Minen gestreikt
Ankara (afp) — Bei dem Schlagwetterunglück in einer türkischen Kohlengrube bei Kozlu sind offenbar wesentlich mehr Menschen umgekommen als zunächst angenommen. Die Zahl der Todesopfer erhöhte sich gestern vormittag auf 80. Mehr als 50 Bergleute wurden zum Teil schwer verletzt geborgen. Insgesamt werden offiziellen Angaben zufolge mehrere hundert Tote in den beiden Zechen Incirhamami und Ihsaniye befürchtet. Dort waren am Dienstag abend nach einen Methangasexplosion die Förderstollen eingestürzt. Gestern morgen hatte der türkische Rundfunk die Zahl der Toten noch auf 60 beziffert.
Vermutlich sind noch mehr als 400 Bergleute in 500 Meter Tiefe verschüttet, teilte die Bergarbeitergewerkschaft von Zonguldak am Mittwoch morgen mit. Zu dem hauptsächlich von der Explosion zerstörten Schacht seien die Rettungsmannschaften noch nicht vorgedrungen. Der türkische Staatsminister Ömer Barutcu erklärte, bis die Unglücksstelle gegen Mittag erreicht werden könne, werde es möglicherweise für die Rettung der noch Vermißten zu spät sein. Nach Angaben des Provinzgouverneurs von Zonguldak, Nurettin Turan, werden die meisten in Stollen der Zeche Incirhamami zwischen 480 und 560 Meter Tiefe vermutet. Hitze sowie Sauerstoffarmut behindere die Rettung möglicher Überlebender.
Hunderte von Menschen, die um das Leben ihrer Angehörigen bangen, trafen unterdessen am Unglücksort ein, wo sich dramatische Szenen abspielen.
„Wir wurden auf einmal umgeworfen und in die Galerie geschleudert“, sagte einer der Bergarbeiter, der mit schweren Brandverletzungen geborgen werden konnte. „Dann sind wir auf 560 Meter abgestiegen und haben den Schacht über eine andere Galerie verlassen“, erklärte er.
Insgesamt befanden sich am Dienstag abend nach Angaben der Gewerkschaft fast 2.000 Bergleute unter Tage. Diejenigen, die nicht tiefer als 360 Meter arbeiteten, hätten die Grube unverletzt wieder verlassen können. Die Luftschächte unter 500 Meter seien durch die Explosion verstopft worden. In ihnen sei auch Feuer ausgebrochen, teilte ein Sprecher der Gewerkschaft mit.
Kozlu liegt etwa 270 Kilometer nordöstlich von Ankara am Schwarzen Meer in einem großen Bergbaugebiet. Von Kozlu waren vor zwei Jahren Bergarbeiterstreiks für die Modernisierung der Minen ausgegangen. Der türkische Gewerkschaftsbund Türk-Is hat schwerwiegende Vorwürfe erhoben und die „Fahrlässigkeit“ der Verantwortlichen angeprangert. Schon früher kam es in den zum Teil sehr baufälligen türkischen Minen zu schweren Unglücken. Vor zwei Jahren kamen in einer Kohlegrube in Yeniceltek ebenfalls bei einem Schlagwetterunglück 68 Bergleute ums Leben. Nach Angaben von Fachleuten wurden in den vergangenen 40 Jahren mehr als 3.000 Kumpel durch Grubenunglücke getötet.
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