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Archiv-Artikel

Mehr als ein Bauernopfer KOMMENTAR VON NICK REIMER

Vattenfall hat gestern die Reißleine gezogen und seinen für die Atomkraftwerke zuständigen Spitzenmanager Bruno Thomauske entlassen. Gehen muss auch der oberste Kommunikationschef des Konzerns. Dass es personelle Konsequenzen bei der deutschen Vattenfall geben würde, war seit dem Wochenende klar: Der Chef des schwedischen Mutterkonzerns hatte das Krisenmanagement getadelt und einen Umbau der Führungsspitze angekündigt. Allgemein war erwartet worden, dass auch der Vorstandsvorsitzende Klaus Rauscher, der deutsche „Mister Vattenfall“, gehen muss. Doch der ist nun noch einmal davongekommen. Deshalb drängt sich der Eindruck auf, dass es sich um ein reines Bauernopfer handeln könnte.

Allein, der Eindruck ist falsch. Thomauskes Entlassung war zwingend notwendig geworden, will Vattenfall wieder Vertrauen als AKW-Betreiber zurückgewinnen. Das geht nur über schonungslose Aufklärung. Doch solange der Atommanager Thomauske an der Spitze der Pannenreaktoren stand, so lange agierte dort jemand, der kein Interesse an Aufklärung hatte.

Seine Demission kann aber nur ein erster Schritt sein. Als zweiten Schritt hat der Stromkonzern eine „hochrangige Expertengruppe“ eingesetzt, um die Pannen unabhängig analysieren zu lassen und firmeneigene Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten. Leider wurden bislang ausschließlich solche Experten in diesen Rat berufen, die noch nie durch kritische Einschätzungen der Atomkraft aufgefallen sind. Besser wäre es gewesen, sich auch atomkritischen Sachverstand in die Kommission zu holen. „Dieses Atomkraftwerk ist sicher“ – eine solche Einschätzung aus dem Mund eines atomkritischen Experten, etwa vom Freiburger Ökoinstitut, wäre allemal vertrauenswürdiger, als wenn sie von einem Ehrenmitglied der „Kerntechnischen Gesellschaft“ kommt. So droht Vattenfalls PR-Stategie schon wieder nach hinten loszugehen: Haben die denn etwa etwas zu verbergen?

Dass die Politik reserviert auf den Vorstoß von Vattenfall reagiert, ist hingegen gut und richtig. Denn es ist am Ende völlig egal, was die firmeneigenen Experten raten. Das letzte Wort hat die Atomaufsicht in Kiel und Berlin.