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Macht & Markt
Todesfalle S-Bahnhof
Als im Jahr 1978 die Stuttgarter S-Bahn aufs Gleis gestellt wurde, konnte sich niemand vorstellen, welchen Ansturm das Schnellbahnsystem einmal erlebt. Heute nutzen an Werktagen rund 360.000 Fahrgäste die sechs auf die Stuttgarter City zulaufenden Linien S 1 bis S 6 sowie die vor Kurzem eröffnete Tangentiallinie S 60. Rein rechnerisch ist damit jeder Stuttgarter – vom Säugling bis zum Senior – jeden zweiten Tag mit der S-Bahn unterwegs. Vielen Fahrgästen ist die Freude am S-Bahn-Fahren zuletzt aber vergangen. Die Züge sind oft verspätet, immer wieder fallen Verbindungen aus. Beim Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) häufen sich die Beschwerden. Noch größere Probleme deuten sich an, wenn der Aushub des Tiefbahnhoftrogs für Stuttgart 21 beginnt. Nach mehrjähriger Verschiebung soll dies Mitte 2014 der Fall sein. Sobald die Bagger losschaufeln, fällt im Stuttgarter Hauptbahnhof die direkte Treppenverbindung von der Fernbahnsteighalle hinunter in die unterirdische S-Bahn-Station ersatzlos weg. Mehreren Zehntausend Pendlern bleibt dann nur der Umweg durch eine unterirdische Stadtbahnhaltestelle, an deren Ende ein kleiner Abgang hinunter zur S-Bahn führt. Die neue Wegeführung könnte zu Sicherheitsproblemen führen. So warnt der Panikforscher Michael Schreckenberg von der Universität Duisburg-Essen vor einem gefährlichen Flaschenhals durch den zu engen Treppenabgang: „Wenn an dieser Stelle zu hohe Dichten entstehen, wird es kritisch.“ Im Gedränge könnten einzelne Reisende zu drücken und zu schubsen beginnen, um schneller auf den Bahnsteig zu kommen. Die Dichte würde sich dadurch weiter erhöhen, was im Treppenbereich zu Stürzen führen könne. „Die Leute sehen die Stufen nicht mehr und fallen, was wiederum den Druck auf weiter unten Stehende erhöht“, erläutert Schreckenberg eine verhängnisvolle Kettenreaktion. Derartige Phänomene liefen immer nach demselben Schema ab, so zuletzt beim Love-Parade-Unglück in Duisburg am 24. Juli 2010, bei dem 21 Menschen im Gedränge getötet und 541 zum Teil schwer verletzt wurden. Harmlose Stolperer lösten auch im Dezember 1999 eine Katastrophe in Innsbruck aus. Fünf Menschen wurden zu Tode getrampelt, 39 weitere zum Teil schwer verletzt, nachdem während einer Veranstaltung im Skistadion mehrere Personen auf dem abschüssigen Gelände ausgerutscht und gestürzt waren.
Den vollständigen Text von Jürgen Lessat lesen Sie online unter www.kontextwochenzeitung.de.