Manager ohne Selbstkritik : KOMMENTAR VON REINER METZGER
Der amtierende Vorstand eines deutschen Weltkonzerns wird verhaftet. In Deutschland. Das gab es noch nie. Gut, mag mancher denken, dass es endlich auch mal einen Großen erwischt. Aber Vorsicht: Die Begründung der Staatsanwaltschaft ist einigermaßen absurd. Der Vorwurf lautet „auf Untreue zum Nachteil der Siemens AG“. Dabei geht es bei der Affäre darum, dass der Siemens-Konzern sich eine hauseigene Gewerkschaft hält. Zumindest in der Vergangenheit alimentierte er sie laut Aussagen von bereits Verhafteten heimlich mit Millionen und Abermillionen von Euro, um den Einfluss der regulären Gewerkschafter von der IG Metall abzuschwächen. Falls der verhaftete Vorstand am Umleiten des Geldes beteiligt war: „Zum Nachteil des Siemens-Konzerns“ sieht anders aus.
Doch Siemens hat derzeit auch Ermittlungen wegen Bestechungen im Ausland am Hals. Hier wurden Exvorstände verhaftet. Und Korruption in Führungsetagen ist keineswegs auf den ach so honorigen Münchner Technikkonzern beschränkt. Bei allen Fällen zeigt sich immer wieder das gleiche Phänomen: Die Herren sind sich keiner Schuld bewusst. Schließlich handelten sie im Auftrag oder wenigstens mit Billigung ihrer Firma. Da mussten Aufträge an Land gezogen werden, es machen alle so und mit der Karriere soll es ja auch weitergehen. Dieses Rechtsbewusstsein gilt es zu knacken. Von daher kann eine spektakuläre Verhaftung nur nutzen, auch mit etwas schiefer Begründung.
Natürlich kann ein Manager nicht immer das komplette Strafgesetzbuch im Kopf haben, wenn er Entscheidungen trifft. Doch in den beschriebenen Fällen geht es um einfache Sachverhalte: Schmiergelder, falsche Abrechnungen, schwarze Kassen. Um so etwas als gesetzeswidrig einzuschätzen, muss man kein Rechtsprofessor sein.
Erst wenn nach ein paar Verurteilungen den Firmen klar wird, dass das Strafrecht auch im Wirtschaftsbereich greift, wird sich etwas ändern. Bisher allerdings sind selbst bei scheinbar klar dokumentierten, schweren Verstößen die Manager meist mit Freispruch oder maximal einer Bewährungsstrafe davongekommen. Mal abwarten, wo die Siemens-Vorstände landen.