MUTTERTAG: EINE GELDFIXIERTE ELTERNPOLITIK MISSACHTET BIOGRAFIEN : Gebärfreude ist nicht käuflich
Es ist schon ein bisschen lustig zu verfolgen, wie sich die Glaubenssysteme rund um das Thema Mutterschaft in den vergangenen Jahrzehnten verändert haben. Frauen, die vor zehn, 15 Jahren schwanger wurden, erinnern sich noch, wie das damals war, mit Schuldgefühl zum Arbeitgeber zu schleichen und die Schwangerschaft mitzuteilen, als wäre es das schamvolle Geständnis eines angekündigten Sozialbetrugs.
Heute hat sich die Lage verändert, jedenfalls in der aktuellen Politik. Das zeigt ein Resümee angesichts des Muttertags am Sonntag. Heute soll die Akademikerin mit allen Mitteln verlockt werden, doch bitte, bitte Kinder zu bekommen. Selten hat die Politik versucht, so offensichtlich in die Kinderfrage der Mittelschicht hineinzuregieren wie jetzt, da von der SPD ein „lohnabhängiges“ Elterngeld diskutiert wird. Man könnte auch sagen: Die Politik bietet jetzt eine Kaufsumme an, die von anderen Steuerzahlern finanziert wird, damit mehr Akademikerinnen als bisher Nachwuchs in die Welt setzen. Abgesehen von der Ungerechtigkeit gegenüber schlechter verdienenden Müttern wird der Vorstoß wahrscheinlich nichts nutzen. Denn Kinderkriegen und Nichtkinderkriegen waren schon immer komplexe, hoch biografische Angelegenheiten, gerade für Frauen. Da ist der Beruf, sicher, aber daneben spielen eben auch die persönliche Bindungssituation, die Selbstdefinition, die Biologie, nicht zuletzt auch die eigene Familiengeschichte eine Rolle. Jede (und jeder) hat das Recht auf diese eigene Biografie – und dieser biografische Raum muss bleiben, auch wenn dadurch die Geburtenraten der deutschen Bevölkerung in den Keller gehen.
Vielleicht aber gibt es demnächst auch wieder einen ideologischen Wandel im Umgang mit dem Thema Mutterschaft. Dann nämlich, wenn sich in einer Gesellschaft der Langlebigen zeigt, dass jede Generation für sich selbst verantwortlich ist, dass Kinder nicht ihren Eltern gehören – und dass es sowieso immer schon größenwahnsinnig war zu glauben, dass die Zukunft aus dem eigenen Bauch kommen muss. BARBARA DRIBBUSCH