„MORD IM HOMOSEXUELLEN-MILIEU“, DAS HÖRT SICH NACH „TATORT“ AN ODER VORABEND-KRIMI IM ÖFFENTLICH-RECHTLICHEN FERNSEHEN : Das Phantom des Darkrooms
MARTIN REICHERT
Der Darkroommörder hat sich das Leben genommen. Eine Meldung, die medial relevant nur für die Abteilung „Lokales“ in Berlin ist – und für schwule Männer. Aber wer war nun dieser Darkroommörder? Sein Name war Dirk P. Im Jahr 2012 hatte er drei Männer mit sogenannten K.-o.-Tropfen getötet, einen von ihnen im Darkroom einer Berliner Schwulenbar, zwei andere, nachdem er sich mit ihnen über einen Gay-Chatroom in deren Wohnung verabredet hatte. Der 39-Jährige hatte seine Opfer ausgeraubt – er wurde zu 25 Jahren Haft verurteilt.
Eine traurige, schreckliche Geschichte, von der man sich gerade als Schwuler am liebsten abwenden möchte. „Mord im Homosexuellen-Milieu“, das hört sich nach „Tatort“ an oder Vorabend-Krimi im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, gut gemeint vielleicht, aber die Zeiten sind doch eigentlich vorbei, möchte man so gerne denken – und den Rest der Gesellschaft glauben lassen: Hey, Leute, wir sind doch eigentlich wie ihr. Wir tragen auch Jeans und Wollpulli und wollen Kinder und einen Bausparvertrag.
Das stimmt sicher auch, aber doch ist da noch dieses andere Leben, die sogenannte „Szene“, die auch von schwulen Wollpulliträgern ganz unaufgeregt besucht wird, an der man teilhat in der ein oder anderen Form. Man geht mit Freunden in eine Schwulenbar, die auch über einen Darkroom verfügt. Man verabredet sich mit Wildfremden über das Netz, um Sex zu haben. Das gehört für viele Schwule schlicht zum Alltag. Ganz langweilig eigentlich, man macht sich da keinen Kopf. Spricht auch nicht groß darüber.
Und doch war das Schweigen ziemlich ohrenbetäubend, als seinerzeit der Darkroommörder in Berlin umging. K.-o.-Tropfen, Darkroom, Verbrechen – was hat das schon mit mir zu tun? Eine ganze Menge vielleicht, wenn man sich nur mal die Mühe macht, näher hinzuschauen. K.-o.-Tropfen, das ist Liquid Ecstasy, GHB, eine Droge, die in ziemlicher Selbstverständlichkeit konsumiert wird, besonders im Rahmen sexueller Kontakte. Einfach zu beschaffen, man kauft einen bestimmten Felgenreiniger über das Netz und mischt das Zeug mit Wasser. Bei Überdosierung: leider tödlich.
Gesprochen wird darüber eher nicht. So wie man ja auch im Darkroom eher nicht spricht. Wirklich erschreckend an diesem „Darkroommord“ war, dass das Opfer wohl über mehrere Stunden tot in besagtem „beruhigtem Gastraum“ gelegen hat, bevor sein Ableben entdeckt wurde. Die anderen Gäste waren wohl zu beschäftigt oder zu benebelt.
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Solche Stätten können Orte der Freiheit sein, der abenteuerlichen Grenzüberschreitung. Fremde Menschen auf diese Weise kennenzulernen, das kann auch Liebe bedeuten, sei sie auch ganz still und flüchtig, da ist sie doch. Muss aber auch nicht. Dirk P. wollte laut seinem Richter seine Habgier befriedigen und „die totale Macht über andere spüren und sich daran ergötzen“.
Er lebt nicht mehr. Es bleibt nur das Schweigen und das Wegsehen und das Weitermachen. Und wenn es gut läuft mit der Eigenliebe, die Bedachtsamkeit, auf das eigene Getränk besser aufzupassen.