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Archiv-Artikel

MITARBEITER MIT ZIVILCOURAGE VERDIENEN MEHR UNTERSTÜTZUNG Gesetz für tragische Helden

Wer einen Skandal im eigenen Betrieb aufdeckt und öffentlich macht, ist oft ein tragischer Held. Er gewinnt zwar die Sympathie der Öffentlichkeit, hat am Ende aber jede Menge Ärger mit dem Arbeitgeber, der diese Art staatsbürgerlichen Engagements meist weniger schätzt. Insofern ist der Plan der Bundesregierung zu begrüßen, solchen Informanten gesetzlichen Schutz vor Kündigung und betrieblichen Sanktionen zu garantieren.

Völlig schutzlos waren sogenannte Whistleblower, die ihr Unternehmen bei den Behörden „verpfeifen“, zwar auch bisher nicht. Die Rechtsprechung hat anerkannt, dass nicht jede Störung des Vertrauensverhältnisses zum Arbeitgeber zur Kündigung berechtigt. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung schafft aber mehr Rechtssicherheit. Wenn das Recht, sich direkt an Behörden zu wenden, künftig im Gesetz nachlesbar ist, dürfte das mutige Beschäftige eher ermuntern. Dass der Gesetzentwurf an manchen Punkten über die bisherige Rechtsprechung hinausgeht, dürfte jedoch Taktik sein. So können den protestierenden Wirtschaftsverbänden später noch Zugeständnisse gemacht werden.

Der Gesetzentwurf sollte auch keine Illusionen wecken. Selbst mit ausdrücklichem Kündigungsschutz werden die meisten Whistleblower bei dem Unternehmen, das sie verpfiffen haben, nicht mehr glücklich. Viele werden kaltgestellt, gemobbt oder aus anderen, vorgeschobenen Gründen gekündigt. Ein genereller Kündigungsschutz wäre hier sinnvoll. Absolute Sicherheit, dass Karriere und Beruf nicht unter der Zivilcourage leiden, wird es aber leider nie geben.

Wichtiger als eine arbeitsrechtliche Regelung sind daher Veränderungen der Firmenkulturen. Die Unternehmen müssen von sich aus wirksame Kanäle für interne Kritik schaffen, die Beschäftigte vertraulich nutzen können. So werden engagierte Mitarbeiter nicht gezwungen, ihren Kopf zu riskieren, um einen Skandal öffentlich zu machen. Und ein Unternehmen kann frühzeitig Misstände beheben, so dass spätere Imageschäden erst gar nicht eintreten. CHRISTIAN RATH