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Archiv-Artikel

MIT DAVID IRVINGS Widerruf haben die Neonazis eine Ikone verloren Das Ende der „Auschwitz-Lüge“

David Irving hatte die Wahl: entweder als standhafter Verteidiger seiner Ansichten zum unsterblichen Märtyrer für die internationale Neonazi-Szene zu werden. Oder aber in reuevoller Haltung die geringstmögliche Strafe zu erbitten. Mag sein, dass er einfach schnell aus der österreichischen Strafhaft herauswollte, mag sein, dass er die Chance witterte, als Historiker wieder ernst genommen zu werden. Doch was David Irving gestern im Wiener Landesgericht bot, war jedenfalls eine Beerdigung erster Klasse für den Mythos von der „Auschwitz-Lüge“: Irving entschuldigte sich für seine früheren Ansichten und widerrief die Aussagen, die ihn vor Gericht gebracht hatten.

Der Brite, der als Autodidakt zum Historiker mit Spezialgebiet Zweiter Weltkrieg und NS-Zeit wurde, hatte sich einen Ruf als Hitler-Apologet und Auschwitz-Leugner geschaffen. Die Anklage nach dem Gesetz über das Verbot der NSDAP bezog sich auf Aussagen, die er vor über 16 Jahren gemacht haben soll. Doch seither habe er dazugelernt, so Irving. Der Zugang zu neuen Dokumenten habe ihm neue Erkenntnisse beschert: Die Gaskammern seien zwar nicht in jenen Gebäuden gewesen, wo man heute in Auschwitz die Touristen hinführt, doch an der Tatsache des Massenmordes durch Giftgas bestehe für ihn kein Zweifel mehr. Ja, Irving deutete sogar an, er würde jederzeit wieder vor rechtsextremistischen Gruppen auftreten, denn ihm würden sie die unangenehmen Wahrheiten eher glauben als anderen Historikern.

Die Lust am Ausgraben von Dokumenten, die die Schuld Adolf Hitlers relativieren oder die Dimension der Schoah verharmlosen, dürfte dem Bestsellerautor allerdings nicht vergangen sein. Die 1.000 Pfund Sterling, die er für jenen auslobte, der einen Beweis für Hitlers Wissen um die Judenvernichtung in Auschwitz beibringen könne, hat er noch immer nicht auszahlen müssen. Die Werke, die er derzeit in Arbeit hat – Biografien von Winston Churchill und Heinrich Himmler sowie seine Memoiren – dürften daher für Historiker interessant werden. Aber die Neonazis rund um die Welt haben mit dem reuigen Revisionisten eine Ikone verloren. Vom „Gaskammermärchen“ wird nun keiner mehr reden können. RALF LEONHARD