MEIKE LAAFF ÜBER NULLEN UND EINSENWIE KANN MAN DAMIT ANGEBEN, KEINE AHNUNG VOM INTERNET ZU HABEN? DIGITALE ALLGEMEINBILDUNG SOLLTE AN SCHULEN GELEHRT WERDEN : Raus aus dem selbstgewählten Analphabetismus!
Montag Maik Söhler Darum
Dienstag Julia Seeliger Alles Bio
Mittwoch Margarete Stokowski Luft und Liebe
Donnerstag Josef Winkler Wortklauberei
Freitag Michael Brake Nullen und Einsen
Manchmal, da habe ich es so satt. Da habe ich keine Lust mehr, Leuten Netzneutralität zu erklären, deren Hirn nach zwei Sätzen auf Durchzug schaltet. Keine Lust mehr, panischen Kollegen die Monitorkabel wieder in den Rechner zu stöpseln. Und keine Lust mehr, einer Freundin zum x-ten Mal darzulegen, wie ihr Mailaccount gehackt worden sein kann.
Es ist in Deutschland noch immer gesellschaftlich akzeptiert, damit zu kokettieren, dass man von dem Internet oder dem Computer generell einfach keine Ahnung hat. Sondern es halt irgendwie benutzt, bis es kaputtgeht. Eine Geisteshaltung, die keiner größer gemacht hat als Apple mit den zu mystischen Wunderdingern hochstilisieren Produkten – über die ihre Besitzer keinerlei Kontrolle haben.
So sehr es mir zuwider ist, irgendwem vorzuschreiben, wofür er sich gefälligst zu interessieren hat: Ich habe immer weniger Verständnis für derlei fröhliche Ahnungslosigkeit. Worüber reden wir denn, wenn wir über „das Internet“ sprechen? Darüber, wie unser Geld verschoben wird, wie unsere Versicherungsprämien berechnet werden. Und ob unsere Lieblingsserie populär genug ist, um weitergedreht zu werden. Wer alles, was Algorithmen über das Internet heute in seinem Leben regeln, völlig fad findet, der würde wohl auch nach China auswandern, ohne ein einziges Schriftzeichen lernen zu wollen. Rein in den selbstgewählten Analphabetismus. Derzeit werden ganz zentrale Fragen der digitalen Straßenverkehrsordnung verhandelt. Ohne dass es einen gemeinsamen Wissensstand gäbe: Da verhandeln Leute, die ratlos mit einer Anlasskurbel vor einem blinkenden Kabelwust stehen, mit solchen, deren Digitalwissen sich auf Formel-1-Niveau bewegt.
Letzteren wirft der US-Netztheoretiker Evgeny Morozov in seinem jüngsten Buch vor, die vorgeblichen Funktionsweisen „des Internets“ zu etwas zu mystifizieren, das die Machthabenden einfach nicht verstehen würden. Stimmt, ein Teil der digitalen Eliten pflegt eine Bunkermentalität, dank der sie nur noch unerträglich selbstherrlich die eigene Überlegenheit abfeiern statt sich auf Unterhaltungen mit weniger Eingeweihten herabzulassen. Das ist aber mindestens genauso wenig konstruktiv wie die oft irrationale Panik vor dem Internet, die sich digital weniger Bewanderte aufschwatzen lassen.
Was schmerzlich fehlt, ist eine Art Allgemeinbildung – über grundlegende Funktionsweisen und Probleme, die das Kommunizieren über Netze mit sich bringt. Einfach, um die Debatten weniger schrill und polemisch zu gestalten. Sondern ein wenig nuancierter und rationaler.
Wer das leisten soll? Die Schule wäre ein guter Ort. Doch steht Informatik in gerade einmal drei von 16 Bundesländern auf dem Lehrplan. Hamburg, so viel ist seit vergangener Woche klar, wird sich nicht als viertes dazugesellen. Stattdessen twittert ein dortiger Bildungspolitiker Sätze wie „Informatik – das gehört wie Mechanik zur Physik“ oder „Die ‚digitale Revolution‘ ist weitgehend abgeschlossen“. Wofür er von anderen Twitter-Nutzern genüsslich verhöhnt wurde. So viel zur fragmentierten Öffentlichkeiten.