MEIKE LAAFF ÜBER NULLEN UND EINSEN NEUES AUS DEM INTERNET IST DER BADESEE-ALLIGATOR FÜR BILDUNGSBÜRGER : Uberall das Gleiche
Montag
Marlene Halser
Früher
Dienstag
Deniz Yücel
Besser
Mittwoch
Martin Reichert
Erwachsen
Donnerstag
Ambros Waibel
Blicke
Freitag
Michael Brake
Nullen und Einsen
Schon wieder. Ich hätte es wissen müssen: So wie Boulevardzeitungen ihre Sommerlöcher mit Badesee-Alligatoren stopfen, so gruseln sich deutsche Bildungsbürgernde in den Ferienmonaten gern vor der digitalen Gefahr. Also nur, wenn’s nicht zu kompliziert wird. Nicht so eine Nummer wie diese NSA-Spionage letztes Jahr, da blickt doch keiner mehr durch.
Besser was, was sich jeder vorstellen kann. Mit Autos zum Beispiel. Wie bei diesem Google-Streetview-Sommer vor vier Jahren. Da konnte endlich jeder mitmeinen: Einbrechergefahr, Villa verpixeln. Und überhaupt, Datenkrake. Noch jemand einen Aperol Spritz?
Und dieses Jahr? Wieder was Schlimmes mit Internet und Auto: Uber. Eine digitale Fahrdienst-App. Leute, die gegen Geld von Leuten ohne Taxischein von A nach B gefahren werden. Organisiert übers Netz.
Ui.
Versicherung, Unfall, Preisdumping. Denkt denn keiner an die Taxifahrer? Und ha, natürlich mal wieder Google als Investor mit im Boot. Da ist doch für jeden was zum Mitmeinen dabei. Herrlich. Schon erklärt eine große deutsche Qualitätszeitung, warum der Dienst „gestoppt“ gehört und die andere mit der Frakturschrift legt nach mit der Warnung, dass die Nutzer von Uber „gefährlich leben“.
Hätte mein Smartphone nach einem halben Tag noch genug Akku dafür, würde ich mir unverzüglich eine Uber-Limousine kommen lassen, um mich drei Mal um den Block fahren zu lassen, würde mir für heute Nacht im Haus gegenüber ein Airbnb-Bett mieten, mein Geld bei Zopa versenken und mir bei Etsy irgendeinen selbstgedängelten Nippes aus Ostneuseeland ordern. Warum? Weil ich sie satt habe, diese Schlimmfinderia.
Warum bloß wird alles, was da aus dem Internet kriecht, erst einmal beäugt wie ein Alligator aus dem Badesee? Natürlich entstehen da Startups, die nicht alles so machen wie die etablierten Geschäftsmodelle – und diese vielleicht sogar in Frage stellen. Aber stehen die jetzt alle unter Artenschutz oder was? Klar verbirgt sich hinter mancher Happy-Sunshine-Community-Fassade eine Firma, der ihre Mitarbeiter und Nutzer am Arsch vorbeigehen. Viele agieren jenseits von geltenden Gesetzen – teils, weil das bequemer ist, teils weil das verknöcherte Regelwerk keine Regelungen für das kennt, was sie anbieten.
Aber viele dieser Plattformen und Apps bringen Leute zusammen, die sich direkt austauschen möchten. Sie organisieren kollaborativen Konsum, unter der Idee, dass Zugang wichtiger sein kann als Besitz. Man könnte das auch nachhaltig nennen.
Ist Deutschland wirklich so strukturkonservativ, dass jede digitale Neugründung als Bedrohung für ein existierendes Geschäftsmodell oder sonstigen Weltuntergang in Grund und Boden reguliert werden muss?
Man kann das versuchen. Wenn wir uns Löcher in den Sand wühlen und darin flach liegenbleiben, werden Algorithmen und Roboter bestimmt niemals Einzug in den Arbeitsalltag von Journalisten und Dolmetschern, Chauffeuren, Ärzten und Juristen halten. Nie, nie, nie.
Und wir leben glücklich bis ans Ende aller Zeit.