MAXI UND SCHNUTE : Nicht mehr zeitgemäß
Wir sind unterwegs zum Bärenzwinger am Köllnischen Park. Dem Kind sind zwei Bären versprochen, es freut sich. Schnute und Maxi heißen die Tiere, sie sind Mutter und Tochter. Nur sind wir heute nicht alleine: ein großes Polizeiaufgebot umstellt den Bärengraben. „Bär, Bär“, ruft das Kind und zeigt auf das Dach des Zwingers. Zu Recht, dort stehen vier Demonstranten mit einem Transparent, zwei sind als Bären verkleidet. „Lasst Schnute und Maxi frei!“, fordern sie. Ihr Anführer, ein Remix aus Scooter und Batman, sieht einem Tierschützer so gar nicht ähnlich. Mit offenem Mantel, die Hände in den Hosentaschen, ruft er die Forderungen seines Vereins hinunter zur Polizei und zu einem Vertreter der Berliner Bärenfreunde, der auch vor Ort ist.
Dieser steht den wenigen anwesenden Journalisten Rede und Antwort. Er spricht so fürsorglich von Schnute und Maxi, als ob sie seine pflegebedürftigen Großeltern wären. Schnute, erklärt er sachlich, sei schon über 30. Das sei auch für eine Bärin alt, und er wolle sie nicht noch zum Lebensende drangsalieren. Gerade sei ein alter Elefant auf dem Transport von einem Zirkus in den Zoo gestorben. Die Journalisten schreiben fleißig mit, eine fragt nach der Quelle. Der Bärenfreund gerät ins Stottern und murmelt etwas vom Internet.
Auch ich gerate ins Stottern, als mich eine Journalistin des Berliner Kuriers als prototypische Mutter mit Kind, die glücklicherweise am Tatort zugegen ist, ins Visier nimmt. Was ich denn von Bären in Gefangenschaft halte, möchte sie wissen. Ich murmle etwas Gefälliges von Freiheit und Gefangenschaft und bin froh, dass der Chef des Bärenzwingers hinter mir laut sagt: „Nein, da kommen keine neuen Bären hin, das ist überhaupt nicht mehr zeitgemäß.“ Und freue mich, als das Kind sich gelangweilt von der Szenerie abwendet und fragt, ob wir uns denn jetzt noch den ICE vorne an der Brücke ansehen. GINA BUCHER