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Archiv-Artikel

MARTIN REICHERT über LANDMÄNNER Machen wir ’ne Drogenfahrt

Bedröhnt, bekifft, besoffen: die Jugend von heute in Brandenburg

Martin Reichert

LANDMÄNNERFragen zur Dröhnung? kolumne@taz.de Morgen: Philipp Maußhardt über KLATSCH

Wir hatten uns ja nun schon des Öfteren gefragt, was die jungen Leute hier draußen so treiben, wenn abends die Bürgersteige hochgeklappt werden: DVD gucken? Nachtwanderungen? Schlafen? Zur „Frauentagsdisco auf dem Sackboden“ (Frauen Eintritt frei, Männer drei Euro) gehen? Dank der Brandenburger Drogenbeauftragten Ines Kluge wissen wir nun endlich Näheres: Die Brandenburger Jugend von heute stopft sich mit Amphetaminen, Ecstasy-Pillen, Alkohol und Cannabis voll und begibt sich auf rasante „Drogenfahrt“.

Könnte schon sein, man kommt sich ja mittlerweile vor wie in Bayern: So wie dort an jeder Ecke eine Mutter Gottes aufgestellt ist, wachsen an Brandenburgs Alleen die Holzkreuze aus dem Boden – wie schon Jörg Schönbohm sagt: „Wer unter Drogeneinfluss fährt, ist eine rollende Lebensgefahr im Straßenverkehr.“ Aber da nützen wohl auch die überall aufgestellten „Auto fährt gegen Baum“-Warnschilder nicht allzu viel.

Die Berliner Jugendlichen haben es da besser. Die stopfen sich mit Amphetaminen, Ecstasy, Alkohol und Cannabis-Pillen voll und fahren dann mit der BVG nach Hause. Sie bilden dann höchstens eine rollende, laut herumquiekende Lärmgefahr, die erwachsene Besoffene wie mich im gleichen Waggon beim Dösen stört.

Normalerweise ist denn auch der Bedarf an High Life & Konfetti gründlich gedeckt, wenn ich am Wochenende in Brandenburg angekrochen komme – während es für die Kids dort erst so richtig losgeht. Saturday Night Fever! Die Augenbrauen zupfen, noch mal unter das Solarium, und los geht die Drogenfahrt! Während draußen gut hörbar die tiefergelegten Jettas und Astras vorbeifahren, deren schwarzgetönte Scheiben Gefahr laufen, von den Subwoofern aus den Gummis gedrückt zu werden, sitzen wir schön im Warmen und quatschen über Gott und die Welt.

Wenn mein Freund nicht mal wieder zum Drogenbeauftragten mutiert und spontane Rauchverbote ausspricht, so wie neulich. Trotzig warf ich mich in volle Montur, schmiss die Haustür zu und setzte mich in MEIN Auto, um in Ruhe und ohne kritisches Hüsteln eine Zigarette zu rauchen. Es war kalt und einsam dort draußen, ein Vorgeschmack auf den nahenden September der Prohibition.

Vor lauter dampfendem Frust, schwelender Langeweile und Zigarettenqualm beschlugen schon die Scheiben – jetzt so eine richtig krasse Drogenfahrt, das wäre doch was! Sich von den 75 PS meines Franzmann-Boliden mal so richtig in den Sitz drücken lassen, röhrend die Alleen entlangbrettern und den Rehen zuwinken. Und dann vielleicht zum nächsten Klinikum fahren, sich durch die Babyklappe quetschen und drinnen eine Zigarette rauchen – nach dem Vorbild eines jungen Mannes aus Dortmund, der auf diese Art versuchte, seine Langeweile zu besänftigen. Allerdings: Drogen hatten wir leider gerade keine im Haus, und ich war mir auch nicht sicher, ob es in Brandenburg überhaupt Babyklappen gibt. Ist nicht so mein Thema.

Laut einer Statistik des Potsdamer Gesundheitsministeriums wird jedenfalls bundesweit unter Jugendlichen nirgends so viel gebechert wie in Brandenburg. Ich halte das ja ehrlich gesagt für Angeberei – im Naturschutzgebiet Südeifel, Wiege meiner Jugend, wurde und wird mindestens genauso viel gesoffen. Vielleicht kann man dort einfach besser Auto fahren? Oder es liegt daran, dass man in einem Mittelgebirge selten dazu kommt, auf gerader Strecke auf 160 Stundenkilometer zu beschleunigen, um dann die Kurve nicht zu kriegen?

Was nicht sein soll, muss verboten werden – in Poltikerkreisen läuft man sich diesbezüglich gerade erst warm: Jugendlichen unter 18 den Alkohol zu verbieten wird das Unfallproblem wohl nicht lösen, denn einen Autoführerschein bekommt man frühestens am 18. Geburtstag. Und nun? Alleen verbieten? Autos verbieten? Jugendliche verbieten? Das sind so Gedanken, die einem kommen, wenn man aus Verbotsgründen in die Kälte geschickt wird und nichts zu tun hat. Ich mache mir ernsthaft Sorgen um unsere Brandenburger Jugend.