MANFRED STOLPE IST BEI VERKEHR UND AUFBAU OST GESCHEITERT : Strukturpolitik von vorgestern
Es war kein schöner Tag für Manfred Stolpe. In seiner Funktion als Verkehrsminister musste er gestern einräumen, dass der Start seines Großprojekts Lkw-Maut weiter in den Sternen steht. Und in der Eigenschaft als Ostminister verkündete Stolpe die bittere Botschaft, der „Traum“ von einer schnellen Angleichung zwischen Ost und West müsse „beerdigt werden“. Trotz der doppelten Kapitulation will der einstige Politpensionär von einer Rückkehr in den Ruhestand nichts wissen. Als Preuße verlässt er „im Sturm nicht die Kommandobrücke“ – auch wenn die Kommentatoren bereits höhnen, die durchschnittliche Amtszeit seiner Amtsvorgänger habe Stolpe schon fast erreicht.
Der Vergleich ist den Vorgängern gegenüber ungerecht. Müntefering, Klimmt, Bodewig verließen das Amt wegen Karriere, Skandal oder Proporz. Keiner von ihnen scheiterte an der Verkehrspolitik. Bei Stolpe ist das anders. Autobahnen bauen, Kanäle ausbaggern, Landebahnen betonieren: Mit diesem altbackenen Verständnis von Strukturpolitik hatte der einstige Kirchenmann schon als Landesvater Milliardenbeträge in den brandenburgischen Sand gesetzt. Dennoch blieb er dieser Linie auch im neuen Amt treu und stritt für Projekte wie den Ausbau der Saale, auf die sich bestenfalls einmal pro Woche ein Motorschiff verirrt.
Niemand wird im Ernst bestreiten, dass gerade für den Aufbau Ost Investitionen in Autobahnen oder Bahntrassen nötig sind. Aber in der Bereitstellung dieser Hardware erschöpft sich Verkehrspolitik längst nicht mehr. Viel wichtiger ist heute die Software, also die intelligente Vernetzung der einzelnen Verkehrsträger, die Feinsteuerung des Systems durch Steuern und Abgaben oder die Organisation eines fairen Wettbewerbs etwa im Schienenverkehr. Für die Förderung des Ostens im Ganzen gilt das umso mehr: Ohne das abgestimmte Drehen an ganz vielen Rädchen werden all die schönen Autobahnen nur dazu führen, dass die Leute schneller in den Westen kommen.
Es ist symptomatisch, dass Stolpe bei der Lkw-Maut gerade mit solch einer komplexen Steuerungsaufgabe gescheitert ist. Er ist für den Posten ganz einfach der falsche Mann, und insgeheim weiß er es wohl selbst. Aber in einer kruden Mischung aus Eitelkeit und allzu demonstrativem Pflichtbewusstsein gab er vor einem Jahr dem Drängen des Kanzlers nach, den Job zu übernehmen. Die Chance, nach der geglückten Amtsübergabe an Matthias Platzeck in ruhmvoller Erinnerung zu bleiben, hat er damit verspielt – ganz gleich, wie lange er sich als glückloser Minister noch hält. RALPH BOLLMANN