MAHNMALE IN BERLIN: DIE DISKUSSIONEN SIND ANGEMESSEN : Gigantomanische Bewältigungsversuche
Es ist furchtbar. Seit Jahren wird in Berlin an Gedenkstätten für den Holocaust gebastelt, es gibt Debatten, Architektenwettbewerbe und Finanzierungskonzepte. Doch immer dann, wenn es um die Realisierung geht, geraten die Projekte ins Straucheln. Jüngst war es der Anstrich des Holocaust-Mahnmals in der Nähe des Reichstags, nun steht erneut die Finanzierung der Ausstellung für „Topographie des Terrors“ auf dem Gestapo-Gelände in Frage.
Selbst beim Jüdischen Musem, dem einzig bisher realisierten Projekt der Berliner Erinnerungstrias, wurde vor seiner Eröffnung über Form, Organisation und Inhalt gestritten – teilweise bis an die Grenzen der Absurdität. Ein offenbar unvermeidbares Konsortium aus großspurigen Visionären und kleingeistigen Pfennigfuchsern, feingeistigen Architekten und tölpelhaften Dorfschulzen in politischer Verantwortung blamiert sich hier bis auf die Knochen.
Bedenkenträger fordern gar einen kompletten Ausstieg aus solchen Projekten. Das gigantomanische Holocaust-Mahnmal sei allenfalls das Produkt der bußsüchtigen Mehrheitsgesellschaft – und somit überflüssig. Die Kritik kommt keineswegs aus der konservativen Ecke der stupiden Gedenkstättenverhinderer, sondern ist auch unter deutschen Juden keineswegs selten anzutreffen. Doch diese Kritik übersieht die eigentliche Chance der Gedenkprojekte. Es ist die Chance des Scheiterns, des Scheiterns gerade an ihrer Gigantomanie, des Scheiterns auch an der hier unvermeidlichen Ästhetisierung des Grauens – und damit am Wahnsinn des Holocaust.
Letzlich spielt es fast keine Rolle, ob diese Gedenkstätten jemals fertig werden – und in welcher Form. Solange über diese Projekte gestritten werden muss, so lange bleiben auch die eigentlich unbeantwortbaren Frage offen: Wie kann man der Katastrophe des Holocaust mit einer Gedenkstätte gerecht werden? Und gibt es überhaupt eine angemessene Form für dieses Erinnern? Etwas Besseres als die vielen Verwerfungen bei der Bauplanung und -ausführung kann der immer noch notwendigen Debatte um die Aufarbeitung der deutschen Geschichte gar nicht passieren. GEREON ASMUTH