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Archiv-Artikel

London Calling Mit Sperrholz zu den Sternen

taz-Medienredakteur Steffen Grimberg arbeitet im Rahmen eines Journalistenaustausches zurzeit bei der britischen Tageszeitung „The Independent“ in London. In seiner wöchentlichen Kolumne schreibt er über die lieben britischen Kollegen

Für die Teilnehmer ist es nur ein kleiner Schritt. Aber ein großer Sprung für das Fernsehen. Zumindest so ähnlich hatte sich der britische Privatsender Channel 4 das Ganze vorgestellt. Eine Casting-Show, bei der einem Dutzend Auserwählter der ultimative Kick winkt: die ersten Touristen im Weltall zu sein, auf einer kommerziellen Space-Shuttle-Mission, selbstredend in allen Details übers irdische TV verbreitet. Natürlich können nicht alle Kandidaten mit, Big Brother in Space sozusagen.

Und das mit einem ganz besonderen Kniff: Denn während den „Space Cadets“ vorgegaukelt wurde, sie würden zum Training in ein russisches Weltraumzentrum geflogen, steht der Space Container auf einer Luftwaffenbasis im englischen Suffolk. Und das Sperrholz-Shuttle hebt garantiert nicht ab.

Doch den von der Umwelt hermetisch abgeschotteten Möchtegernaustronauten wird dank Nasa-Beratung, digitaler Spezialeffekte und russischer Beschilderung bis hin zu einem ehemaligen KGB-Offizier als Ausbilder eine ganz andere Realität geliefert – die Truman-Show endlich im Fernsehen, wenn auch nicht ganz so überzeugend. Weil das die Macher bei Channel 4 vorausgeahnt haben, sind unter die „normalen“ KandidatInnen drei SchauspielerInnen gemischt, die im Ernstfall durch ihr Ganz-doll-überzeugt-Sein mögliche Zweifler ablenken sollen. Was vor allem im ersten Teil der bis Freitag laufenden Serie bitter nötig war. Denn beim angeblichen Flug in die russische Einöde gelang es einem der Space Cadets, einen Blick aus dem nicht optimal abgeklebten Kabinenfenster zu erhaschen – dummerweise sah die Stadt am Boden ziemlich nach London aus. Später schallten dann Kirchenglocken der idyllischen Grafschaft ins vermeintlich russische Camp …

Und bis heute kann man sich nur wundern, dass keineR der KandidatInnen darauf gekommen ist, sich das vermeintliche Space Shuttle ja auch mal von außen anzugucken.

Macht nichts: „May the farce be with you“ ist schließlich das erklärte Motto von „Space Cadets“. Allerdings erinnern die Dialoge in der Fake-Rakete in ihrer belanglosen Biederkeit an das Urformat der Sendegattung, nämlich „Big Brother“ – und die Einrichtung sieht auch wieder nach Ikea aus. Was die britische Presse schon zu dem kühnen Schluss verleitet hat: Die „Space Cadets“ sind allesamt SchauspielerInnen. Verschaukelt werden ganz allein wir – die Zuschauer. Und das wäre in der Tat nicht das Allerneueste im TV-Geschäft.