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Löhne700 Euro für einen Monat Schlachterei

Eine Reise von DGB-Chef Sommer zeigt, wie schwer fassbar das Phänomen osteuropäischer Billigarbeiter ist.

Löhne "weit unter 7,50 Euro die Stunde": Hühnerfleisch in einer Metzgerei Bild: dpa

ELLENSTEDT taz Jetzt ist es doch ein bisschen peinlich. Da stapft Michael Sommer, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, mit zwanzig JournalistInnen um ein heruntergekommen wirkendes Haus herum und späht durch die Fenster. Tschechische Wanderarbeiter sollen hier im niedersächsischen Ellenstedt wohnen, unter unwürdigen Umständen. Nur ist keiner anzutreffen. "Die haben die Flucht ergriffen", meint ein Gewerkschafter. Aber das ist eine Vermutung - und es wird viel vermutet, wenn DGB-Chef Sommer eine "Reise ins Prekariat" unternimmt.

Unter unsicheren Arbeits- und Lebensbedingungen in der Fleisch- und Milchbranche Beschäftigte wollte sich Sommer in Niedersachsen anschauen und auch den Medien präsentieren. Doch da, wo die Gewerkschaft ist, gibt es das Prekariat kaum. Und da, wo OsteuropäerInnen angeblich zu Billiglöhnen malochen, kommt die Gewerkschaft nicht rein. "Es ist schwierig, die Leute dazu zu kriegen, zuzugeben, dass sie ausgebeutet werden", sagt Matthias Brümmer, Chef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten in Oldenburg.

Von 105.000 Beschäftigten in der Fleischbranche seien etwa 26.000 Osteuropäer, sagt Brümmer. 70 Prozent dieser Osteuropäer bekämen Löhne, die "weit unter 7,50 Euro die Stunde" lägen. Die Mitarbeiter tschechischer Kolonnen, die über Subunternehmen entsandt würden, erhielten in Schlachtbetrieben 700 Euro im Monat - und müssten davon noch 80 bis 100 Euro monatlich für eine heruntergekommene Unterkunft zahlen, die sie sich mit einem Dutzend anderer Kollegen teilten.

Wie viele dieser Billigstlöhner es gibt, ist nicht konkret belegbar. Illegal sind sie auch nicht unbedingt. Nach dem EU-Entsendegesetz dürfen etwa in Tschechien oder Rumänien angemeldete Firmen als Subunternehmer Arbeiter nach Deutschland schicken, wenn diese die sogenannte E101 vorweisen können. Dies ist eine Bescheinigung, nach der für sie in der Heimat Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden. "Das kann aber von hier aus keiner kontrollieren", rügt Brümmer.

Im Vergleich zu anderen Fleischbetrieben gilt die Schlachterei Vosding in Bremen den Gewerkschaftern fast als Vorbild. Hier ist der Urlaubsanspruch des Personals zwar geschrumpft, seit Jahren wird der gleiche Lohn gezahlt. Aber: Die Fleischzerleger, auch über ein Subunternehmen beschäftigt, kommen mit ihrem Stücklohn auf monatlich 2.400 Euro brutto. Nach Angaben der Firma haben die meisten einen deutschen Pass.

"Russlanddeutsche" ergänzt Veterinärin Anna Bonhuis, "viele von ihnen sind Russlanddeutsche". In der Schlachthalle werden die toten, kopfüber hängenden Kühe enthäutet und zerlegt, es riecht nach Blut, Gedärmen und Fett. Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass deutsche Arbeitslose solche Jobs gerne annehmen. In der Branche kriege man keine Leute mehr für 7,50 Euro, meint Unternehmer Josef Vosding. 7,50, das ist der von den Gewerkschaften geforderte gesetzliche Mindestlohn. Vosding fände die Festlegung einer solchen Untergrenze in Ordnung.

"Es bringt nichts, gegen die Osteuropäer Stimmung zu machen", warnt Gero Lüers, Vizeregionalchef Weser Ems der IG BAU. Auf Initiative der Baugewerkschaft wurde der Europäische Verband der Wanderarbeiter gegründet. Der Verband wolle den Erwerbstätigen aus der EU in rechtlichen Fragen helfen. Das Projekt stehe am Anfang.

"Die Menschen leben hier unter unwürdigen Umständen", meint DGB-Chef Sommer vor dem leergefegten Haus in Ellenstedt. Nur wäre es schön, wenn man das von den Leuten selbst hören könnte.

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