: Lieber einen Exkurs in die Praxis -betr.: "Punkt 8: Männer verboten" vom 5.12.94
Betr.: „Punkt 8: Männer verboten“ vom 5.12.
Die Hausordnung des Vereins Kommunale Drogenpolitik für das Übergangswohnheim für Frauen wirkt erschreckend und rigide und ist m.E. doch notwendig. Wohnprojekte implizieren leider aufgrund der Probleme und Verhaltensweisen ihrer Bewohnerinnen und/oder auch einfach aufgrund der Personenanzahl einen erhöhten Regelungsbedarf und dementsprechende Belastungsfaktoren für die dort tätigen Mitarbeiterinnen. In beiden Wohnprojekten unseres Vereins leben immer wieder Betroffene, die andere Wohnprojekte und auch Notübernachtungsangebote verlassen mußten.
Eine eigene Wohnung könnte manchmal – aber nicht in allen Fällen – eine tragfähige und bessere Alternative sein. Leider haben selbst fitte Betroffene auf dem Wohnungsmarkt kaum eine Chance, solange sie arbeitslos sind und von Sozialhilfe oder Arbeitslosenunterstützung leben. Wohn- projekte werden uns also, bei aller Fragwürdigkeit, bis auf weiteres erhalten bleiben und den KritikerInnen empfehle ich zum besseren Verständnis der anfallenden Probleme einen Exkurs in die praktische Tätigkeit vor Ort.
Sozialarbeit hat die Obdachlosigkeit und die daraus folgenden Machtverhältnisse in Wohn- und Ubernachtungseinrichtungen nicht produziert. Vielleicht hätten wir das Feld dem Katastrophenschutz überlassen und uns nicht darum bemühen sollen, diese Grund- sicherung in Großunterkünften anzubieten. Aber dann hätten wir die Obdachlosigkeit unserer Klientinnen noch länger aushalten müssen . . . und manche hätten vielleicht nicht überlebt. Conny Barth, Kommunale Drogenpolitik e.V.
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