piwik no script img

„Liebe taz...“ Willi Lemke bei seinem Senatoren-Wort nehmen

Betr.: „Gegen wen strampelt Lemke?“, taz bremen vom 9. März 2000

Wenn es der Bildungssenator mit dem Erhalt der Bremer Sprachheilschule wirklich ernst meint, dann muss er hier beim Wort genommen werden. Die Sprachheilschule sollte aber nicht mehr den Status einer Sonderschule mit all der negativen Begrifflichkeit erhalten. Diese Schulform entwickelte sich aus den Armenschulen, die der absolutistische Staat einrichtete, damit der Untertan seinen Platz in der Gesellschaft einnahm, den ihm die Ständeordnung zudachte. Sie sollten Gehorsam und Disziplin vermitteln. In den Klassen waren über 40 SchülerInnen unterschiedlichen Alters. In dieser Funktion dienten sie als Verwahranstalten. Als sich im 19. Jahrhundert die bürgerliche Schule als allgemeine Volksschule etablierte, konnten die Kinder aus den unteren sozialen Schichten nicht das Vorwissen mitbringen, wie es die Kinder aus dem Bildungsbürgertum konnten. Es entstanden Sonderschulen, die in ihrer Konzeption die Inhalte der Armenschule beibehielten. Der Feststellung einer Bremer Teilnehmerin der Tagung der „Deutschen Gesellschaft für Sprachheilpädagogik“ (DSG) ist zuzustimmen, dass die Schule auch als ein Schonraum begriffen werden kann. Dem anderen Teil des Satzes muss ich widersprechen, wo sie meint, dass damit intensivere Förderung und leichtere Integration in die Realschulen möglich sein soll. Leider ist es so, dass der Mehrheit der SonderschülerInnen der Zugang zu den allgemeinbildenden Schulen verwehrt bleibt. Es gibt nämlich nicht genügend LehrerInnen, die speziell auf die Schwierigkeiten der SchülerInnen eingehen können. Voraussetzung für schülergerechten Unterricht wäre eine Zusammenarbeit zwischen LehrerInnen und Sonder- bzw. Heilpädagoginnen, gutes Unterrichtsmaterial und genügend Klassenräume. Die Klassengrößen sollten allgemein kleiner sein und höchstens acht bis zehn SchülerInnen umfassen. Es sollte der Stempel „Sonderschule“ – im Volksmund auch „Dummenschule“ genannt – endlich der Vergangenheit angehören. Die Schule würde zu einem wirklichen Schonraum, wenn sie keine Kinder mehr ausgrenzt. Sie sollte sich verändern, und es sollte ein einheitlicher Schultypus die Norm sein. Für alle Beteiligten würde dies einen enormen Vorteil bedeuten. Die zusätzlichen Kosten, die hierdurch entstünden, wären eine gute Investition in die Zukunft der Kinder. „Wir werden es der Politik nicht leicht machen“ – dieser Satz des DSG-Vorsitzenden Gerhard Homburg wäre noch durch die Bemerkung zu ergänzen: „Dummheit sollte nicht mehr lehrbar sein“.

Bettina Fenzel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen