: „Liebe taz...“ Gesamtschüler als „Zumutung“ betrachtet
Betr.: „Rückkehr zum alten System“, taz-bremen vom 17./18 März
Das Bürgertum erkämpft sich das durchgängige Gymnasium zurück und die Große Koalition gibt ihren Segen dazu. Diesen Eindruck vermitteln die Vorgänge am Schulzentrum Hamburger Straße, wo 19 Eltern ihre hochbegabten Schüler für ein Schnellläuferabitur anmeldeten. Sie werden dabei tatkräftig unterstützt von einigen Lehrern, die es als Zumutung betrachten, auch ehemalige Gesamtschüler und Realschüler in der gymnasialen Oberstufe zu unterrichten.
Für beide Gruppen scheint zu gelten, dass das Gymnasium die Schule des Bürgertums ist und eine soziale Mischung mit nichtbürgerlichen Kindern und Jugendlichen möglichst unterbleiben soll. Besserverdienende Eltern haben eben höherbegabte Kinder, zumindest sind sie in der Lage, ihren Kindern entweder selbst Nachhilfe zu geben oder geben zu lassen. Mit anderen Worten: Schüler mit einem „stabilen Elternhaus im Hintergrund“ kommen immer besser zurecht!
Das ist der eine Aspekt des „Gymnasiums an der Hamburger Straße“. Der andere ist, dass die „Hamburger Straße“ nie ein richtiges Schulzentrum war. Es gibt die gymnasiale Oberstufe mit bis zu 250 Schülern, es gibt eine 10. Haupt- und eine 10. Realschulklasse sowie eine einzügige gymnasiale Sekundarstufe I (Klasse 7 bis 10). Das ist ein Zustand, der niemanden zufrieden stellen kann. Schon die Proportionen der einzelnen Schülergruppen zueinander lassen die wenigen Haupt- und Realschüler zu einer Randgruppe werden. Das ist nicht der Sinn eines Schulzentrums.
Aber es wird noch komplizierter. Zur „Hamburger Straße“ gehört die „Schule an der Brokstraße“, die so lange eine integrierte Orientierungsstufe war, bis die Schulbehörde beschloss, die „Schule an der Lothringer Straße“ zu schließen und die Haupt- und Realschulklassen aus der Lothringer Straße in die Brokstraße umzusiedeln, obwohl an der Brokstraße der Platz nicht ausreicht und die Behörde keinen Pfennig dazubezahlen möchte. Was wird aus der „Orientierungsstufe an der Brokstraße“, wenn die „Hamburger Straße“ zum durchgängigen Gymnasium wird? Man hat den deprimierenden Eindruck, dass Schulbehörde und Senat den drängenden Wünschen des Bürgertums nachgeben, aber sich einen Dreck drum scheren, was aus den Schülern wird, die keine Lobby im Senat haben. Else Schmoll
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