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„Liebe taz...“ Gelten Grundrechte nicht für Punks??!!

Betr.: Chaos-Tage

Mein Sohn hat bunte Haare und kleidet sich und denkt anders als andere Menschen. Er ist ein Punk. Häufig ist er im Viertel unterwegs und trifft dort Freunde. Auf offener Straße wird dies in den letzten Monaten allerdings immer schwieriger, denn Punks sind offensichtlich unerwünschte Personen und erhalten Platzverweise, sobald mehr als zwei beieinanderstehen.

Die Kontrollen durch Polizisten (heute wurde mein Sohn allein dreimal durchsucht) werden oftmals von Schikanen begleitet, z.B. daß die Jugendlichen eine Viertelstunde mit ausgebreiteten Armen dastehen müssen, z.B. daß ihnen unverblümt gesagt wird, welche Absicht hinter den Aktionen steht, nämlich bis zum Eintreffen der Touristen in Bremen das Viertel von solchen „Elementen“ gesäubert zu haben (welch schrecklich vertrautes Vokabular!).

Durch die verbotenen Chaostage in Hannover und die Befürchtung, das ganze könne in Bremen stattfinden, sind die oben genannten Maßnahmen noch verschärft worden. Für das kommende Wochenende überlegt sich mein Sohn, aus Bremen wegzufahren, weil er sich andernfalls vier Tage zu Hause oder nur in nicht zu säubernden Stadtteilen aufhalten müßte. Dort bestünde dann allerdings u.U. die Gefahr rechtsradikaler Übergriffe durch sich in Bremen versammelnde Nazis anläßlich Heß' Geburtstag. Wird die Polizei auch alle Bomberjackenträger und Glatzköpfe der Plätze verweisen?

Ich will nicht verharmlosen, daß es unsinnige Gewaltaktionen durch Punks gibt. Ich finde es in Ordnung, daß die Polizei dagegen einschreitet, aber das, was sich seit Monaten in Bremen bzw. insbesondere im Viertel abspielt, macht mir Sorgen, denn die massive Einschränkung der Bewegungsfreiheit, die z.T. demütigende Behandlung durch die Polizei sät Haß, der sich auf eine Weise Bahn brechen kann, die keiner will.

Ich billige keine Gewaltaktionen, aber mein Verständnis für die Wut in den Köpfen der Leute wächst.

Wie zynisch auch der Vorschlag von Herrn Glogowski, Punks, die friedlich seien, sollten an diesem Wochenende eben zu Hause feiern, während Tausende anderer Menschen den angekündigten Sommer, wo auch immer, genießen dürfen.

Genauso blind auch die Begeisterung über die friedliche Love-Parade in Berlin. Hauptsache friedlich, was sonst in dieser Szene abläuft, interessiert ja nur einzelne Aufputschpillen-Konsumenten und provoziert nicht „systemtreue Bürger“.

Ursula S. (Name der Redaktion bekannt)

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