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Archiv-Artikel

Leserpost

Als Hetzer qualifiziert

■ betr.: „Eckhoff holte Sarrazin zur Euro-Debatte“, taz.bremen vom 21. 6. 12

Man darf schon Zweifel haben, ob Herr Sarrazin wirklich zu rationalem Dialog fähig ist, wenn er am Tag seines Vortrags im Weser-Kurier ausführt: Da es den Euro gibt, geht deutsches Geld nach Palermo statt nach Bremen. Dieser Konnotationstrick, verkauft als „klare Sprache“, qualifiziert den Herrn zum Hetzer. Dass aber Karl-Heinz Roth und Sarrazin ähnlich argumentieren, wenn es um Griechenland geht, ist wahr, weil beide keine Ahnung von dem Land haben. Mit seiner Forderung nach Staatsbankrott verurteilt Roth die griechische Stadtbevölkerung (allein in Athen leben 45% aller Griechen, ein Wert, den sonst nur die Länder der Dritten Welt kennen) zur absoluten Verelendung. Der Preis für Strom, Treibstoff sowie so gut wie alle Industrieprodukte würde sich sofort verdreifachen. Dagegen würden die ländlichen Bezirke von Epirus bis Südkreta, in denen noch heute Tauschwirtschaft stark verbreitet ist, vergleichsweise wenig betroffen sein. Ergebnis wäre eine - übrigens jetzt schon in Ansätzen zu beobachtende - Stadtflucht. Aber das alles sind natürlich für unsere Herren Weltökonomen Petitessen. Till Schelz-Brandenburg, Bremen

Sarrazins Rezepte taugen nicht

■ betr.: „Eckhoff holte Sarrazin zur Euro-Debatte“, taz.bremen vom 21. 6. 12

Die diversen „Rettungspakete“, die bisher für Griechenland geschnürt wurden, haben dem Land nicht genutzt. Im Gegenteil: Seine ökonomischen und fiskalischen Krisen spitzen sich immer weiter zu. Massenelend macht sich in Hellas breit. Wäre es da nicht besser, Griechenland entzöge sich dem „Euro-Druck“ und verließe die Währungsunion? Thilo Sarrazin vertritt diese Position öffentlichkeitswirksam und bekommt dafür viel Zuspruch. Nicht nur von Leuten wie Hans-Olaf Henkel, sondern auch aus dem politischen und publizistischen Spektrum, das eigentlich mit neoliberalen Vorstellungen wenig am Hut hat. Die taz attestiert Sarrazin sogar, eine „eher linke“ und marktkritische Analyse der Euro-Krise zu liefern. Ein genauerer Blick auf die aktuellen Veröffentlichungen des Bestsellerautors zeigt aber, dass Sarrazins wirtschafts- und europapolitischen Ordnungsvorstellungen nicht als Leitfaden zur humanen Lösung der Euro-Krise taugen. Sie würden die destruktiven Merkmale des kapitalistischen Weltsystems noch deutlicher hervortreten lassen. Thilo Sarrazin zu folgen, hieße für Europa: noch mehr Wohlstandschauvinismus, noch mehr sozial-räumliche Ungleichheiten und noch mehr Einfluss der biologistischen Ideologien, die sich in Sarrazins „Deutschland schaft sich ab“ finden. Geert Naber, Oldenburg