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LeserInnenbriefe

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Chancen verspielt

betr.: „Jetzt aber!“, Kommentar von Anja Maier zur erneuten Kanzlerinkandidatur von Angela Merkel, taz vom 21. 11. 16

Es stimmt, dass die etablierten Parteien sagen müssen, was sie in Bezug auf Arbeit, Steuern, Bildung, Handel, Umwelt- und Entwicklungspolitik usw. konkret ändern wollen. Nur hatten die etablierten Parteien unter der Kanzlerschaft Angela Merkels ziemlich genau elf Jahre Zeit, genau dies zu tun, und es verwundert mich zutiefst, wenn begrüßt wird, dass sie jetzt vielleicht noch einmal die Chance bekommen werden, die sie elf Jahre lang hatten. Dabei wäre es nicht einmal gerecht zu behaupten, dass die Politik ihre Chance verschlafen oder nicht genutzt hätte, aber sie hat in schwierigen Zeiten leider nur solche Antworten parat gehabt, die uns dahin geführt haben, wo wir heute stehen. Deshalb braucht die Politik einen neuen Impetus. Mit welchem Recht sollte man den von ausgerechnet der Politikerin erwarten, die wie niemand sonst für ein „Weiter so!“ steht?

Sofern dieses „Weiter so!“ für die Bewahrung der Werte steht, die wir aus gutem Grund und zum Nutzen aller für richtig erkannt haben und schätzen, darf dieses Motto nicht verächtlich gemacht werden. Aber ein Politikstil, der mit Klarheit, Ehrlichkeit und, ja, auch mit Kontinuität begeistert und überzeugt, sieht anders aus. Wobei ich mir natürlich schon wünsche, dass vorstehende Begriffe eng verknüpft mit Vernunft und Gutmenschentum daherkommen, denn alles andere enttarnt sich bei sachlicher Betrachtung doch allzu schnell als das gerade Gegenteil, nämlich als dumm und schlecht.

Von ihrem Charakter und ihren Werteeinstellungen her wäre Angela Merkel wohl bestens zur Bundespräsidentin geeignet. Sich selber konnte sie ja nicht für dieses Amt vorschlagen, aber dass nicht einer ihrer getreuen Mitstreiter es getan hat, ist nur ein weiterer Beleg für das Format, die Fantasie und den Mut, die ihnen allen fehlen, um an Merkels Stelle die Politik mit neuer Frische und Überzeugungskraft zu füllen.

Unter diesen Voraussetzungen fällt es mehr als schwer, den Optimismus von Anja Maier, ihr „Jetzt aber!“, zu teilen.

Ein Blick auf das Personal des anderen großen Koalitionspartners, sofern es für eine Kanzlerkandidatur im Gespräch ist, lässt in dieser Hinsicht auch keine Hoffnungsträger erkennen. Und so steht zu befürchten, dass es ausreichen wird, der Partei vom rechten Rand zusätzlichen Zuspruch zu bescheren, wenn sie sogar mit einiger Berechtigung die Begriffe „Frische“ und „Klarheit“ allein für sich usurpiert, selbst wenn die Ziele und Methoden, die sich damit verbinden, zum Weglaufen sind.

Interessant könnte es noch werden, wenn Grüne und Rote unter Beweis stellen würden, dass ihr zu Zeiten einer Großen Koalition zwangsläufig bedauerliches Dahinsiechen sie nicht restlos entmannt hat, sondern sie vielmehr mit gleicher Unverschämtheit wie die AfD eine Kanzlerschaft anstrebten. Mit unverbrauchten, aber erfahrenen und ernst zu nehmenden Kandidaten (also nicht so à la Trump) hätten sie doch große Chancen, nachdem die CDU mit der Nominierung Merkels die ihre schon verspielt hat.

Was sonst soll man davon halten, dass die grauen Eminenzen sich den nötigen frischen Wind von der Werbeagentur versprechen, die Angela Merkel damals durch den Fahrtwind eines Mietwagen-Cabriolets hat frisieren lassen?

TORSTEN STEINBERG, Porta Westfalica

Der alte Mann will Ruhe

betr.: „Sechs schwarze Seiten ‚Abschiebepopulismus‘“,taz vom 29. 11. 16

Wenn Ministerpräsident Winfried Kretschmann wirklich einmal Glaubwürdigkeit zeigen wollte, würde er den zündelnden Landesinnenminister, Thomas Strobl, auf seinem Kurs in eine AfD-Koalition entlassen.

Aber der alte Mann will nichts als seine Ruhe, wird er doch das Gedränge im Chaos des Stuttgarter Kleinbahnhofs nicht mehr erleben und mit seinen Freunden aus der Automobilindustrie, die den Anschluss in Richtung ökologische Mobilität nicht hinbekommen, auch weil sie zu groß sind, in nicht allzu langer Zeit verantwortlich sein für eine gigantische Wirtschaftskrise, weil wirklich zu viele kleine Unternehmen an dieser Industrie dranhängen. DIETMAR RAUTER, Kronshagen

Pillen für die Jackentasche

betr.: „Ernährung. ‚Es gibt nicht weniger Wettbewerb‘“,taz vom 29. 11. 16

Unsere Enkel und Urenkel werden wohl im Monsanto-Bayer-Supermarkt einkaufen, ohne lästigen Einkaufswagen. Denn Steakpille nebst Gurken-, Tomaten-, Salatpille passen ohne Probleme in die Jackentasche. FERN MEHRING, Dortmund

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