Lena gewinnt Eurovision Song Contest: Staksig, unorthodox, schlicht

Sie ist die sensationelle Siegerin von Oslo. Lena Meyer-Landrut gewinnt mit einer schlichten Show und 76 Punkten Vorsprung den Eurovision Song Contest in Norwegen.

Mentor Stefan Raab und Lena Meyer-Landrut: "Das ist alles viel für so einen kleinen Lena-Kopf" Bild: dpa

OSLO afp | Lena nimmt Daumen und Zeigefinger der linken Hand, sie nimmt Daumen und Zeigefinger der rechten Hand und bildet aus beiden Händen ein Herz: "I heart you Germany", sagt sie in einer tief wirkenden Zuneigung an ihre Landsleute. Doch längst sind der 19-Jährigen da schon auch die Herzen der Europäer zugeflogen. 246 Punkte holt Meyer-Landrut beim Eurovision Song Contest, was nicht nur 76 Punkte Vorsprung auf den Zweiten Türkei bedeutet, sondern aus deutscher Perspektive einen historischen Erfolg: Zum ersten Mal seit Nicole und "Ein bisschen Frieden" im Jahr 1982 kann Deutschland wieder den weltweit beliebtesten Gesangwettbewerb gewinnen.

Wahrscheinlich werden sich schon in absehbarer Zeit Forscher aufmachen um zu ergründen, wie sich das Phänomen Lena erklärt. "Vor einem halben Jahr war noch nichts los", sagt sie selbst in ihrer Sieger-Pressekonferenz. Vergangenes Weihnachtsfest kannte sie jenseits von Freunden und Familie niemand - nun kennt sie nach einer Fernsehshow mit mehr als 120 Millionen Zuschauern ganz Europa.

Als Last scheint Meyer-Landrut dies nicht zu empfinden. Jedenfalls braucht sie nicht lange, um nach der ersten Überwältigung nach dem Sieg - "das ist so irreal", "ich bin geschockt" - schon wieder ihre so charakteristische ungezwungene Fröhlichkeit zu zeigen. Die hatte ihr den Erfolg in der Castingshow "Unser Star für Oslo" beschert, nun machte sie sie schließlich in Oslo zur sensationellen Siegerin.

14,69 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer haben am 29. Mai im Ersten das Finale des Eurovision Song Contests (ESC) verfolgt - das sind fast doppelt so viele Menschen wie im vergangenen Jahr. Der Marktanteil der Show aus Oslo lag bei 49,1 Prozent, bei den 14- bis 29-Jährigen bei 63,5 Prozent (2,48 Millionen) und bei den 14- bis 49-Jährigen bei 61,6 Prozent (8,38 Millionen). Damit lag der ESC deutlich vor dem Fußball-Länderspiel Deutschland - Ungarn im ZDF (7,21 Millionen, 25,5 Prozent Marktanteil) und dem Boxkampf von Vitali Klitschko gegen Albert Sosnowski auf RTL (6,71 Millionen, 23,3 Prozent). In der Spitze hatten den ESC insgesamt 20 Millionen Zuschauer eingeschaltet. (NDR)

Trotz Favoritenrolle war im Wettbewerb nicht zwingend mit einem deutschen Sieg zu rechnen. Die Dänen sorgten mit einem Pophit für Begeisterung, was ihnen bei der Punktabgabe nach den ersten beiden Bewertungen jeweils die Spitzenpunktzahl zwölf einbrachte. Am Ende reichte es dennoch nur zu Platz vier.

Die Rumänen überraschten mit einem wilden Liebes-Duett, das auf Platz drei landete und die zuvor hoch gehandelten Starterinnen aus Aserbaidschan und Armenien hinter sich lassen konnte. Nur der an Show-Effekten reiche türkische Auftritt bekam mehr Punkte als Rumänien. All diese Länder holten auch immer wieder Spitzenwerte bei der Punktevergabe - doch allein Lena konnte durchgängig in fast allen Ländern punkten und mehrmals die zwölf Punkte abräumen.

Im kurzen Schwarzen, mit eleganten hochhackigen Schuhen und dezent begleitenden Background-Sängerinnen war Meyer-Landrut der von Schlichtheit geprägte Höhepunkt der ansonsten von viel Pyrotechnik begleiten ESC-Show. Wer vorher Sorgen hatte, ob die junge Frau nicht unter dem Erwartungsdruck Fehler machen würde, konnte sich vom Gegenteil überzeugen. Ihr Lächeln war noch strahlender, ihre Augen wirkten noch ausdrucksstärker - nur der ihren Hit "Satellite" begleitende Tanz blieb so stacksig und unorthodox wie bekannt.

"Das ist alles viel für so einen kleinen Lena-Kopf", sagte Meyer-Landrut nach ihrem Triumph. Wohl war: Noch weiß sie nicht mal, ob sie das Abitur auch wirklich bestanden hat. Die Prüfungen musste sie parallel zur Casting-Show machen, erst im kommenden Monat gibt es die Ergebnisse. Und jetzt will sie natürlich weiter singen, obwohl sie vielleicht schon den Höhepunkt ihrer Karriere hinter sich hat.

Ihr Entdecker Stefan Raab machte Lena direkt das Angebot, nächstes Jahr zur Titelverteidigung gleich selbst wieder anzutreten. "Ja, ich wäre dabei", sagte Meyer-Landrut spontan. Doch ob es wirklich dazu kommt? Und ob sie sich ihre Unbeschwertheit auch wirklich erhalten kann?

X-Mal musste sie sich in Oslo fragen lassen, ob sie einen Freund hat, Vorjahressieger Alexander Rybak holte sich nach dem Sieg frech ein Küsschen bei Lena ab. Ob ihr denn klar sei, dass nach der deutschen Presse nun die internationale Presse alles aus ihrem Leben wissen wolle, fragte sie ein Brite. Doch Lena Meyer-Landrut bleibt bei ihrer Linie: Sie werde keine Details aus dem Privatleben verraten. Und weil sie so viele liebe Menschen um sich habe, werde sie dies auch beibehalten können. "Mir kann es gar nicht schlecht gehen" - da war es wieder, das nun auch in Europa angekommene Lena-Lachen.

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