LONG PLAYING RECORD : Jukebox - Der musikalische Aszendent
Kann man alles verstehen: Frenchpop wie Neue Musik
Un, deux, trois… und weiter reicht mein Französisch nicht. Gerade mal einen Kaffee könnte ich jenseits des Rheins bestellen. Mit Glück findet sich sogar ein Ober, der so tut, als hätte er meine Verhunzung seiner Sprache auch verstanden. Aber man muss ja nicht immer alles verstehen, um nicht dennoch einen Gefallen daran zu finden. Was also die Frankokanadier von Pas Chic Chic am Montag im Festsaal Kreuzberg sangen, blieb wenigstens für mich vollkommen im Dunkeln meiner Ahnungslosigkeit, ihr straffer Pop aber hatte eben diesen Schick, den die französische Sprache immer mit sich bringt, wenn man in ihr singt. Und im musikalischen Tonfall erinnerten Pas Chic Chic an die psychedelische Phase von Johnny Hallyday, der doch mal außerhalb Frankreichs (wo er allerdings Gott ist) entdeckt werden sollte. Im nächsten Jahr macht er sich auf seine Abschiedstour.
Als mindestens so schwer zu lernen wie Französisch gilt die Neue Musik. Nur Schick wird ihr nicht unbedingt nachgesagt. Genau das will ohrenstrand.net ändern, eine neue Propagandaplattform für Neue Musik, die in weitere Hörerschichten hinein agitiert, die vielleicht noch gar nicht wissen, dass auch sie die Neue Musik mögen könnten.
Möglichkeit zur Kontaktaufnahme bot man am Mittwoch im Pfefferberg mit dem frisch eingerichteten Hör.Quartett, für das man zur ersten Plauderstunde (neue Hörerschichten!) die Popmusik an die Seite der Neuen Musik gestellt hatte. Zwischendurch spielte das KNM Berlin eine nervenquälende Komposition von Alvin Lucier, die den Gelegenheitshörern sofort wieder klarmachte, dass Neue Musik nichts Bequemes ist, später konterten Tocotronic mit zwei Liedern, der Saal war voll, die Tocotronics Arne Zank und Rick McPhail beteiligten sich an der Gesprächsrunde, in der man sorgsam vermied, auf die versprochene Fragestellung „Was ist neu?“ einzugehen. Man beschnupperte sich, wehtun wollte man sich sowieso nicht, pflichtschuldig entdeckte man manche Analogie zwischen Pop und Neuer Musik. Und hatte sich recht wenig zu sagen. „Ich hör das gern, versteh das aber meistens nicht“, bekannte Popjournalist Jens Balzer, der Neumusikexperte Thomas Schäfer entgegnete, dass intellektuelles Vorwissen bei Neuer Musik gar nicht nötig sei. „Das ist reine Gewohnheit“, meinte er tröstlich. Immer wieder hören, was ja doch ein Lernen ist. Vielleicht wird man was verstehen. Vielleicht gefällt es einem auch nur. Wie Französisch, trois, deux, un. THOMAS MAUCH