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Archiv-Artikel

LEUCHTEN DER MENSCHHEIT TANIA MARTINI Was ist der Kommunismus?

25 Jahre Passagen Verlag: Alain Badiou diskutiert mit Verleger Peter Engelmann über die kommunistische Idee

Es gibt Begriffe, die sind wie Dynamit. Kommunismus ist so einer. Er ist korrumpiert, sagen die einen, man sollte ihn in die Mülltonne treten. Nein, man muss ihn von seinem falschen Ballast befreien, um unter dieser Chiffre eine neue politische Praxis zu konstituieren, sagen die anderen. Zwischen diesen Antipoden ist er zu Lametta geworden, im Kuratorengestammel etwa.

Einer, der für die Idee des Kommunismus streitet, ist der französische Philosoph, Mathematiker und Ex-Maoist Alain Badiou. In vielen Punkten ist er sich einig mit Slavoj Zizek, beide haben es als „gefährlichste Denker der Gegenwart“ unter Feuilletonisten, die noch an die Gefahr durchs Denken glauben, zu großer Popularität gebracht.

Wo sie auftauchen, füllen sie Theatersäle. So auch vergangenen Dienstag in Berlin. Alain Badiou diskutierte mit Passagen-Verleger Peter Engelmann über die Idee des Kommunismus und das gleichnamige Buch, das gerade in dessen Verlag erschienen ist. Selten konnte man so eindrücklich wie an diesem Abend bestaunen, wie die Philosophie dazu neigt, im Reich der Ideen zu verharren, wenn sie konkrete Konflikte und Machtbeziehungen zugunsten eines Universalismus aus den Augen verliert.

Ein Ereignis, ein Bruch

Was ist der Kommunismus? Nach Marx ist Kommunismus „die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt“. Doch welches Ziel impliziert diese Bewegung? Was ist ihr Wahrheitspostulat? Die Gleichheit aller? Und verweist diese Annahme notwendig auf totalitäres Denken? Welches Verhältnis besteht zwischen Kommunismus und Demokratie?

Badiou erinnerte gegen die Entstellung durch den Realsozialismus an die ursprüngliche Idee des Kommunismus des 19. Jahrhunderts: Aufhebung des Privateigentums, andere Arbeitsteilung, kein Staat. All das hat der Realsozialismus nicht erfüllt: Staat und Arbeitsteilung wurden nur noch stärker, das Eigentum wurde Staatseigentum. Ja, die Geschichte ist eine Geschichte von Irrtümern, die Idee jedoch müsse als Form der Kritik befreit werden und ihre politische Form letztlich noch finden. Engelmann, der in der DDR gelebt hat, intervenierte scharf. Es bestehe keine Beziehung zwischen der Idee und der Möglichkeit ihrer Durchsetzung. Dann drehte sich die Diskussion im Kreis. Schnitt und weiter. Die Ehe von Demokratie und Kapitalismus. Ein Hebel? Badiou hatte man schon schärfer erlebt, sachte wies er darauf hin, es könne kein Zufall sein, dass repräsentative Demokratie und Kapitalismus ein so gutes Paar abgeben. Repräsentation als der giftige Stachel. Engelmann hingegen galt die repräsentative Demokratie als bestmögliche Form, den Bürgerkrieg zu verhindern. Es gab auch Einigkeit: Über die Barbarei des Finanzkapitalismus. 10 Prozent der Weltbevölkerung besitzen 86 Prozent des Reichtums. Das ist ungerecht. Aber aus der moralischen Anklage leitet sich noch keine Praxis ab. Kein Vorankommen also. Kein Materialismus weit und breit: keine Staatstheorie, keine Analyse dessen, wie wir produzieren oder wie Individuen zu den Subjekten gemacht werden, die wir sind. Badiou tendiert eher zu einem Purismus des Bruchs. Wenn er von dem Ereignis als Ort der Wahrheit spricht, meint er die Französische Revolution oder die Chinesische Kulturrevolution, ins Heute übersetzt auf jeden Fall etwas, das außerhalb des als Totalität gedachten Kapitalismus liegt.

Um jegliche Mystifikation des Ereignisses und Abstraktionen zu vermeiden, orientierte sich Michel Foucault einst an drei Typen von Kämpfen: Kämpfe gegen Herrschaft (im Sinne von ethnischer, sozialer oder religiöser), Kämpfe gegen Formen der Ausbeutung und Kämpfe gegen all das, was das Individuum an es selbst fesselt und dadurch anderen unterwirft. Es sind Kämpfe, in denen wir fragen, wer wir sind, sie sind mit unserem Alltag verbunden und erzeugen ein Wissen, in dem sich die radikale Kapitalismuskritik mit der radikalen Totalitarismuskritik verbinden lässt. Aber das ist für Badiou vielleicht nicht viel mehr als das Lametta des Kapitalismus.